Bei deutschen Weinen dominiert zunehmend ein Mainstream-Geschmack. Er ist der Tatsache geschuldet, dass immer mehr Winzer an der Weinbauhochschule Geisenheim studieren, anderseits ihre Praktika immer häufiger in der Neuen Welt absolvieren, anstatt in klassischen europäischen Weinbauländern. Wieder droht ein Stück Vielfalt verloren zu gehen.
Immer die gleichen Namen, die Spitzengruppen in den deutschen Anbaugebieten sind seit Jahren fast unverändert. Glaubt man den einschlägigen Weinführern, die das Ranking jährlich in unendlich vielen Proben auf seine Aktualität prüfen. Nur selten rutschen Betriebe nach einem Generationswechsel eine Bewertungsstufe tiefer. Im Gegenteil. Stabwechsel an die junge, in der Regel gut ausgebildete Generation: und schon klappt es mit der Tendenz nach oben. Good news und für die Wein-Gazetten der Hinweis an die geneigte Leserschafft, dass man auf der Höhe der Zeit ist. Echte Neugründungen gibt es in Deutschland so gut wie keine. Dagegen tauchen immer wieder Betriebe auf, die als Traubenlieferanten für Genossenschaften oder als Fassweinlieferanten gearbeitet haben, und nun als Selbstvermarkter auf den Markt kommen.
Der Trend zu trockenen Weinen, der in den 1980er Jahren begann, ist heute mehr denn je Standard. Besonders auffällig ist das an der Mosel, wo der klassische restsüße Moselstil fast verschwunden ist. Auch beschwingte leichte Kabinett-Riesling machen sich rar, erstaunlicherweise. Denn diese Gewächse haben Alkoholwerte zwischen acht und zehn Prozent und passen bestens zum angesagten leichten Genuss, den die Koch-Welt propagiert. Verkehrte Welt? Dagegen legt sich der VDP für die alkoholreicheren „Großen Gewächsen“ ins Zeug, die allerdings auf den Weinkarten der Spitzengastronomie immer seltener angeboten werden. Das liegt nicht nur am Preis. Verkehrte Welt!
Nach wie vor hat der Spätburgunder, fast immer im Barrique ausgebaut, beim deutschen Rotwein die Nase vorne. Allerdings gelingt es vorwiegend den Spitzenweingüter, den Einsatz von Barrique harmonisch mit den fragilen Fruchtaromen des Spätburgunders in Einklang zu bringen. Weine aus dem Mittelfeld zeigen fast durch die Bank einen zu dominanten Holzeinsatz. Noch auffälliger ist der überzogene Barrique-Einsatz bei Grau- und Weißburgunder und Chardonnay. Außerhalb der Spitzenbetriebe sind nur wenige Weine zu finden, die nicht massiv von Holz geprägt sind und damit die Fruchtigkeit der Weine in den Hintergrund stellen.
Immer häufiger, wenn auch in der Anbaufläche noch unbedeutend, tauchen vereinzelt Global Player wie Merlot, Cabernet Sauvignon, Malbec, Shiraz, Cabernet Franc und Sangiovese vor allem in jungen Betrieben in den Anbaugebieten Pfalz, Rheinhessen und Baden auf. Neuzüchtungen auf Basis von Cabernet, wie Cabernt Dorsa, Cabernet Mitos, Cabernt Dorio und Acolon sind dagegen vor allem in Genossenschaften in Baden und Baden-Württemberg zu finden. Chardonnay-Weine sind nicht mehr ganz so hipp wie noch vor ein paar Jahren. Diese Rolle hat der Sauvignon blancs übernommen, und zwar in allen Anbaugebieten. Die Qualitäten schwanken extrem, die Anzahl an empfehlenswerten deutschen Sauvignon blancs ist relativ gering.
Bemerkenswert ist, dass Spitzenbetriebe im Angebot sehr konstant sind und ihr Rebsorten-Portfolio nicht, oder nur sehr eingeschränkt ändern, vor allem aber keine Neuzüchtungen und auch keine Trendsorten wie Sauvignon blanc anpflanzen. Gleichwohl ist festzustellen, dass gerade die Spitzenbetriebe Weinberge kaufen oder Trauben zukaufen, um ihre Produktion zu steigern.
Im gleichen Kontext ist zu beobachten, dass markante Handschriften und erkennbare individuelle Stilistiken seltener werden. Zwar hat sich der Ausbildungsstand der Winzer allgemein verbessert. Allerdings ist immer öfter das „Geisenheim-Syndrom“ zu schmecken und damit ein Main-Stream-Geschmack zu verzeichnen, der einerseits der zunehmenden Ausbildung von Winzern in Geisenheim, anderseits einer zunehmenden Orientierung am Markt geschuldet ist. Auffällig ist, dass immer mehr Winzer ein Praktikum in der Neuen Welt, dagegen weniger in den klassischen europäischen Weinbauländern absolviert haben, was auch dazu führt, dass sich die Stilistik der Weine eher an der Neuen Welt orientiert. Quereinsteiger sind kaum noch zu finden, Geisenheim dominierte die deutsche Weinwelt.
Der klassische Ausbau im großen Holzfass im Weißweinbereich erlebt für ausgesuchte Weine eine kleine Renaissance und ist dazu ein Marketinginstrument geworden. Ansonsten dominiert in der Mehrzahl der Betriebe der Ausbau im Edelstahl, was einer gewünschten schnelleren Vermarktung zu Gute kommt. Gut vermarkten lassen sich auch schäumende Weine, die Sektproduktion hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Mittlerweile bieten auch kleinere Weingüter Sekte aus eigener oder Auftragsproduktion an, die Qualitäten schwanken dabei ebenso wie die Preise.
Foto: Pixabay
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