Ja ist denn schon Weihnachten? Eine berechtigte Frage, die man nicht früh genug stellen kann. Denn die Vorfreude auf Weihnachtsgebäck, Dominosteine und Christstollen ist in unseren Tagen einer der wenigen Lichtblicke, ein saisonaler kulinarischer Anker inmitten einer gesellschaftlichen und politischen Schwarzmalerei, die verlässlich immer in einer schönen Bescherung endet.
Deswegen hoch die Tassen, jetzt gilt es den richtigen Wein zu finden, den idealen Begleiter für die kalte Jahreszeit. Vergebens hält der Verbraucher Ausschau nach einem Winterwein, ein gleichberechtigtes Pendant zum Sommerwein, einem Tropfen schwer wie die Stimmung in den grauen, kalten Tagen und dabei doch so schmackhaft wie all die Gewürze, die in der weihnachtlichen Küche Triumphe feiern.
Wie wäre es denn jetzt mit einem Glas Glühwein? Er ist nicht einfach ein heißgemachter Wein, Glühwein ist ein Stimmungsmacher im doppelten Sinne. Denn Glühwein braucht die nach Zimt, Koriander, Maronen und Marzipan duftende Umgebung eines Weihnachtsmarktes und die ganze Dekoration des bevorstehenden Festes aller Feste. Die eigentliche Weinqualität ist nur von untergeordneter Bedeutung, Hauptsache es glüht.
Denn Glühwein ist Kult und Glühwein muss inszeniert sein, sonst verliert er einen Großteil seines fast mystisch anmutenden Images. Ein kulinarischer Klassiker, an den sich nicht einmal die kritischsten Weinjournalisten herantrauen. Kult eben! Es gibt keine Empfehlungen und Bewertungen für die besten Glühweine oder etwa den Glühweinstand des Jahres, obwohl gerade hier eine schier unglaubliche Vielfalt existiert. Wenn die Außentemperaturen erst einmal nahe Null gefallen sind, fordert er seinen Tribut.
Aufopfernd macht sich ein Großteil der weihnachtlich gestimmten Bevölkerung daran, die Überschüsse aus den Kellern der Europäischen Gemeinschaft um einiges zu reduzieren. Eine ehrenvolle Aufgabe, die meist ganz harmlos anfängt. Wärmesuchende Hände umfassen das dampfende Glas mit dem heißen Wein, der kurz zuvor von dem mit Mütze und Schal ausstaffierten Budenbesitzer mittels einer großen Suppenkelle aus dem seit Stunden aufgeheizten Topf geschöpft wurde. Geschickt hat er dabei die vielen Nelkenblüten und ausgelaugten Orangenschalen umschifft, die dem Glühwein seinen unverkennbar weihnachtlichen Geschmack verleihen, und ihn als eine hausgemachte Spezialität ausweisen.
Weniger romantisch geht es dort zu, wo man die jahreszeitliche Dimension und die daraus erwachsende Symbolik des Glühweines nicht erkannt hat. Hier stehen die Doppel-Magnums Glühwein für jeden sichtbar herum, jene 3-Liter-Flaschen, die am weihnachtlichen Etikett eindeutig als winterliches Jahreszeitgetränk zu identifizieren sind. Alles drin, diese Weine sind schon fix und fertig gewürzt und müssen nur noch heiß gemacht werden, um den Minimalanforderungen eines Glühweines gerecht zu werden. Denn Reklamationen gibt es nur, wenn der Wein nicht heiß genug ist.
Während sich die weinbauliche Fachwelt seit Jahren zum Thema Wein und Speisen die Köpfe zerbricht und vielfach den Genuss zerredet, macht sich niemand Gedanken darüber, wie man einen Glühwein zum Essen einsetzen kann. Glühwein ist bis heute quasi der einzige Wein unter den Trauben-Kreszenzen, dessen Kombinationsmöglichkeiten noch lange nicht erschöpfend ausprobiert wurden. Bislang dümpelt der Glühwein als mehr oder minder lustloser Begleiter für Bratwürste und Schaschlikspieße auf den unzähligen Weihnachtsmärkten vor sich hin. Aber seine kommunikativen Eigenschaften sind längst erkannt. Auf den dezemberkalten Weihnachtsmärkten gibt es keinen besseren Zungenlöser als zwei, drei Gläsern Glühwein. Das macht ihn wiederum sympathisch und am Ende auch so beliebt. Man trinkt ihn um zu vergessen, dass man ihn trinkt.
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Der Platzhirsch unter den Glühweinproduzenten, die Firma Gerstacker, setzt nach Branchenschätzungen jedes Jahr um die 50.000.000 Liter Glühwein um. Verkauft wird der Glühwein unter verschiedenen Markennamen. Genaue Zahlen rückt das Familienunnternehmen nicht raus. Rot- und Weissweine für die Produktion werden in Tanklastzügen aus Südeuropa, überwiegend Italien, angeliefert. Der Hektoliterpreis für den Wein, so wird vermutet, dürfte unter 50 Euro liegen. Es werden einfachste Weine für die Glühweinproduktion verwendet.
Hier ein Artikel im Stern zu diesem Thema:
https://www.stern.de/wirtschaft/news/gluehwein-geschaeft–jeder-becher-macht-1000-prozent-gewinn-8491072.html