Das waren noch Zeiten, als sich Majestäten ungeniert und wie selbstverständlich auf Gott und höhere Mächte beriefen, und all ihre Unzulänglichkeiten und Fauxpas‘ dem Volk als gottgewollt verkaufen konnten. Wer in unseren Tagen, zumindest im bundesrepublikanischen und zunehmend gottlos gewordenen Deutschland außerhalb der närrischen Tage eine Krone trägt, ist offensichtlich nicht von höheren Mächten auserkoren, sondern scheint immer öfter von allen guten Geistern verlassen zu sein. Ein Phänomen, das sich längst auch in der bürgerlichen Welt etabliert hat, die sich zuweilen gerne mit royalen Insignien schmückt, um dem allzu Profanen etwas Glanz zu verleihen.
Exemplarisch dafür steht das „Deutsche Weininstitut“. Eine durch und durch graue Institution, gesegnet mit der Dynamik und dem Ideenreichtum einer blassen Verwaltungsbehörde, wenig innovativ oder gar zukunftsträchtig, aber finanziell fürstlich ausgestattet durch Zwangsabgaben der deutschen Winzerschaft. Sich selbst bezeichnet das DWI als die „zentrale Kommunikations- und Marketingorganisation der deutschen Weinwirtschaft“, deren Kernaufgabe es sei, „die Qualität und den Absatz von Weinen aus dem 13 deutschen Anbaugebieten durch wettbewerbsneutrale Marketing-Maßnahmen im In- und Ausland zu fördern“.
Um dieser Aufgabe ein bisschen Glanz zu verleihen, inthronisiert das DWI alljährlich in einer reichlich provinziell anmutenden Show die „Deutsche Weinkönigin“ und ihre Prinzessinnen. Noch sind es junge Frauen, meist mit weinbaulichem Hintergrund, die mit den vinologischen Heilsbotschaften des DWI durchs Land tingeln, und in ferne Länder geschickt werden. Doch längst ist die Debatte darüber entbrannt, ob nicht auch Männern, Diversen oder einem von den abseits der Biologie angenommenen Geschlechtern die Talmi-Krone aufs Haupt gesetzt werden könnte. Warum nicht, das gebe der Hofberichterstattung zumindest etwas Esprit und vor allem Aufmerksamkeit in der ansonsten spröden Außendarstellung des DWI.
Denn Aufmerksamkeit wäre dringend nötig in Zeiten, da der Weinkonsum in Deutschland weiter sinkt, renommierte Winzer offen über Flächenreduzierung nachdenken, einige Keller noch gut mit früheren Jahrgängen gefüllt sind, und die Nachfolge der jüngeren Generation in Familienbetrieben, auch angesichts zunehmender Bürokratie, nicht mehr so sicher ist wie einst. Da kommt auf die Weinbranche, die lieber im Wald pfeift und Probleme bei einem Glas Wein klein und schön redet, etwas zu, was dem einen oder anderen Kopf und Kragen kosten kann.
Wo die Probleme unaufhaltsam wachsen, und das DWI keine erfolgversprechenden Strategien auf den Tisch legen kann, können auch die märchenhaften Verlautbarungen der aktuellen Weinkönigin Charlotte Weihl der angeschlagenen Winzerschaft wenig Trost spenden. Die 25jährige Majestät möchte ihr Amt „modern interpretieren und zeitgemäß umsetzen“. Eine Plattitüde im Politstil, die so inhaltslos klingt wie ein leeres Weinfass. Dazu möchte die Wein-Repräsentantin von DWIs Gnaden dem sinkenden Weinkonsum „mit neuen Ideen begegnen“, und sieht in der Absatzkrise auch „Chancen für neue Lösungen und Produkte“. Als Beispiel nennt die 25jährige „kreative Vermarktungsstrategien“ und die Erschließung neuer Märkte mit alkoholfreien Weinen.
Ob sogenannte kreative Vermarktungsstrategien, was immer Frau Weihl darunter verstehen mag, mit dem behäbigen DWI zu machen sind, sei mal dahingestellt. Viel spannender ist der Blick auf die alkoholfreien Wein-Varianten, die dem Kulturgut Wein am Ende die Seele nehmen, und ihn zu einem austauschbaren Softgetränk machen könnten. Vorbei die individuellen Charaktereigenschaften des vom Terroir geprägten Rebensaftes, aufgegeben die Trias von Landschaft, Klima und Winzerhandwerk, dem man jahrelang gehuldigt hat.
Sicher sind alkoholfreie Weine ein Thema, das einhergeht mit dem EU-Populismus, der sich den Alkohol als nächsten Feind ausgesucht hat, den man mit allen bürokratischen Mitteln bekämpfen muss. Da werden den Brüsseler Strategen sicher noch einige Vorschriften einfallen, um den deutschen Winzern das Leben noch schwerer zu machen. Das alles geschieht nur zum Wohle der Bürger und der Demokratie! Wer daran auch nur leise zweifelt, bekommt die ganze Härte des politischen Vokabulars zu spüren, das heute schnell zur Hand ist und Menschen in Ecken drängt, die sie vorher gar nicht kannten.
Vielleicht kann man mit alkoholfreien Weinen ja die Demokratie retten, denn Kinder und Betrunkene sagen bekanntlich die Wahrheit, wie der Volksmund weiß. Und die Wahrheit ist natürlich die dunkle Seite der Märchenwelt, die man dann ausblendet, wenn man keine Lösungen präsentieren kann, Wahrheiten gepachtet hat, und um jeden Preis den eigenen status quo halten möchte. Jahrhunderte lang konnten die Menschen auch mit dem Gedanken leben, dass die Erde eine Scheibe sei.
Noch in den 1990er Jahren wurde moderate Weingenuss als gesund gefeiert, dazu gab es jede Menge medizinischer Studien, internationale Fachpublikationen, und sogar ein von Ärzten initiiertes Forum „Wein und Gesundheit“. Schnee von gestern, jetzt geht es schnurstracks in die andere Richtung. Nur haben die meisten Winzer mit dem komplizierten und aufwendigen Verfahren alkoholfreien Wein herzustellen so gut wie keine Erfahrung. Insoweit wird die Erschließung neuer Märkte, die erst einmal definiert und lokalisiert werden müssten, noch viele Jahre dauern. Vielleicht wird es dann auch eine „Alkoholfreie Weinkönigin“ geben. Oder sollte man besser dem Wein, dem man mit dem Entzug des Alkohols das Hemd ausgezogen hat, einen anderen Namen geben?
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Schön bissig und treffend!