Feindbild Champagner – Geht Luxus auch billiger?

von | Dez 28, 2022 | Aufmacher, Ausgetrunken | 0 Kommentare

Ich gestehe es gleich vorweg. Auch in Zeiten von hausgemachter Energiekrise, sich leerender Haushaltskassen, schleichender Altersarmut und wahnwitzigen Benzinpreiserhöhungen bin ich ein überzeugter und leidenschaftlicher – aber kein kritikloser – Champagner-Trinker. Natürlich weiß ich, dass dieser Genuss inklusive Luxus-Zuschlag nicht umsonst zu haben ist. Das macht ihn aber noch lange nicht unerschwinglich. Dass der Champagner generell zu teuer sei, ist denn auch eine wenig fundierte Behauptung, die an dem essentiellen, weil alles entscheidendem Kriterium, nämlich was einem Genuss wert ist, zielsicher vorbei geht. Das schöne Leben ist teuer! Man kann es auch billiger haben. Dann ist es aber nicht mehr so schön. Und eine ordentliche Portion Champagner mit Luxus-Flair gehört eben zum schönen Leben.

Aber es gibt auch gute Nachricht für alle ambitionierten Verfechter von sozialverträglichen Getränken, für die hartnäckige Prosecco-Fraktion und die überzeugten Schaumwein-Genießer. Unter der eher genussfernen Ampelregierung ist aktuell kaum zu befürchten, dass ein Champagner-Trink-Zwang ins Grundgesetz aufgenommen wird. Um dies nachhaltig zu verhindern, sorgen auch jene Zeitgenossen, die dem Champagner aus verschiedensten Motivationen mit einer schönen Regelmäßigkeit ins Glas spucken, um anschließend für das verlidelte Aldi- und Penny-Volk als geschmackliche Wiedergutmachung eine ganze Reihe von vermeintlichen „Genau-so-gut-aber-billiger-Alternativen“ aus dem Hut zu zaubern.

Deren Fangemeinde scheint im Musterland der Billig-Esser und Trinker zu wachsen. Zudem vermuten viele die vom Champagner-Rausch begleitete Steuer-Spar-Verschwörung der Reichen auf dem ohnehin strapazierten Buckeln der am Ende immer zur Kasse gebetenen Armen. Sozialneid auch, und immer mehr im Genussbereich. Davor darf man die Augen nicht verschließen. Wo Aldi und Konsorten zum alleinigen Rettungsanker für eine von Armut bedrohte Gesellschaft werden, darf und soll es keinen Champagner mehr geben. Es sei denn für alle. Und billig. Dann schließt sich der Kreis wieder.

Wer also Champagner schlicht und einfach ob seines Preises oder seiner ideologischen Vorbelastung aus den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten bei Feierlichkeiten der Bourgeoisie und dem Adel für dekadent hält, sollte jenen Autoren die Füße küssen, die unter dem Motto „Es muss ja nicht immer Champagner sein“ oder „Schaumwein ist oft besser als Champagner“ investigativen Journalismus betreiben. Alle Jahre wieder lesen wir diese Plattitüden in den Sylvester-Ausgaben der einschlägigen Gazetten, die ihren Lesern unter den Rubriken „Stil“ oder „Kultur“ das wahre, schöne und gute Leben näherbringen möchten.

Und alle Jahre wieder bemühen sich die Autoren redlich um eine plausible Erklärung, warum es an Sylvester auch mal ein Sekt, Spumante, Sparkling Wine, Cava oder Crémant sein darf, oder vielleicht sogar sein muss. Hauptsache es prickelt und schäumt. Alles nur keinen Champagner! Denn der ist, das ist der einhellige Tenor, meist überteuert und vielfach von mittelmäßiger bis schlechter Qualität. Und, man höre und staune, die meisten Champagner sollen allein durch den Mythos überleben, den die besten unter ihnen einst begründet haben. Gut und schlüssig um die Ecke gedacht.

Dass Champagner immer wieder für kritische und gewagte Vergleiche herhalten muss, hat nicht ausschließlich mit der geilen Geiz-Haltung, sondern auch mit der Lust der Deutschen an der Banalisierung des Luxus zu tun. Dabei sind deutsche Winzersekte der trinkbaren Klasse auch nicht mehr für einen Apfel und ein Ei zu haben. Ohnehin bleibt die Frage, ob hier alles was prickelt und schäumt in einen Topf geworfen werden darf, nur weil die Produktionsmethode – in den meisten Fällen nicht mal die Rebsorten – weltweit mehr oder weniger die gleiche ist. Muss deswegen jedes Blubbergetränk am Champagner gemessen werden? Oder umgekehrt? Wenn Rebsorten und Produktionsmethoden die gleichen sind, soll man dann nur für den Namen „Champagner“ den Mehrpreis bezahlen? Ist das die Botschaft für den unkundigen Verbraucher zwischen Champagner und Prosecco?

Bleibt die Frage, ob guter Riesling-Sekt besser als schlechter Champagner ist? Er ist es! Aber wie sieht es umgekehrt aus oder sogar bei Gleichstand? „Vergleiche hinken“, diese Binsenweisheit beweist Tiefgang. Denn ein klein bisschen Luxus sollte man sich nicht vermiesen lassen. Darauf ein Glas Champagner!

Foto: Pixabay

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