Ach, die Italiener. Stolze Nachfahren der noch stolzeren Römer, die sich anschickten die Welt zu erobern: jedenfalls das, was vor mehr als 2000 Jahren als solche bekannt war. Was später an Kontinenten und Ländern von ihren europäischen Nachbarn entdeckt wurde und als kolonialer Selbstbedienungsladen unter die Obhut gekrönter Häupter fiel, eroberten engagierte Herren aus Palermo und Neapel einige Jahrhunderte später mit der gleichen Motivation. Heute beglücken die Nachfahren der ehrenwerten Gesellschaft auch kultiviertere Nationen mit scheinbar unverzichtbaren kulinarischen Errungenschaften wie Pizza und Spaghetti, deren Popularität selbst vom globalen Siegeszug des Burger-Kults nicht erschüttert wurde. Dazu noch ein Glas Billig-Sprudel, damit auch der emotional unterkühlte Nordeuropäer vor Glück überschäumt. Dolce Vita aus dem Pizzapappkarton und der Prosecco-Flasche, in Sachen kulinarischer Augenwischerei sind die Italiener wahre Weltmeister.
EIN Volk tut sich in der Bewunderung italienischer Küchenkunst besonders hervor und ergibt sich hemmungslos dem offenbar unwiderstehlichen romanischen Charme. Wo immer ein Hauch von Italien riechbar, schmeckbar, hörbar oder gar spürbar ist, ergeben sich die Deutschen widerstandslos ihren italophilen Anwandlungen. Die Bewunderung italienischer Lebensart ist quasi deutsches Erbgut und wird bereits unschuldigen Kindern eingebläut, damit Pizza und Spaghetti, die Mutti auch ohne Kochtalent schnell mal auf den Tisch zaubern kann, auf den vorderen Plätzen ihrer Lieblingsspeisen rangieren.
Ein Triumph italienischer Kochkunst, aber gleichzeitig das Eingeständnis, dass die italienische Küche im Grunde infantil und kinderleicht nachzukochen ist. Kein Wunder also, dass sich in deutschen Studentenheimen die angehende Elite die ergänzende Körpernahrung aus dem Portfolio von Luigi holt oder im schlimmsten Fall selbst Hand anlegt, um mit Pizza und Spaghetti die Kommilitonen zu beeindrucken. Kein Hexenwerk für den akademischen Nachwuchs, denn die Herausforderung, Nudeln al dente auf den Teller zu bringen, schafft auch der Romanistikstudent im zwölften Semester.
Doch was wäre die deutsche Gastronomieszene ohne den immer gut gelaunten Luigi, der die Tagesempfehlungen – alles was unbedingt weg muss – in sympathischem Italo-Deutsch aufsagt, natürlich ohne Preise. Oder ohne den als Oberkellner verkleideten Latin-Lover, der jede aufgedonnerte Landpomeranze als „Princessa“ dahin schmelzen lässt und ihren nicht minder rustikalen Begleiter allein schon für die korrekte telefonische Reservierung eines Tisches für zwei Personen als “Dottore“ mit akademischen Weihen adelt?
„Bella Italia“, warum denn in die Ferne schweifen, wenn das „Dolce Vita“ vor der Haustür liegt, oder besser gesagt, gleich um die Ecke? Jeder Deutsche, vom polyglotten Hauptstädter bis zum einfachen Landmann in der tiefen Provinz, schwört auf seinen Italiener um die Ecke, jenes anheimelnde Restaurant mit angestaubtem Adria-Feeling, in dem idealerweise die schwergewichtige Mamma den Nudelteig noch mit der Hand knetet und der Patrone mit geschickter Motorik die hauchdünnen Salamischeiben und den Aldi-Käse auf der Pizza verteilt, bevor er sie mit einer lässigen Handbewegung für einige Minuten im Ofen verschwindet lässt.
Wann immer Bedarf besteht wird das Duo aktiv, Küchenschluss ist dann, wenn die Gäste satt sind und nicht, wenn die Gewerkschaftlich garantierte Arbeitszeit endet. Die Gastro-Show, zugegeben immer perfekt inszeniert, lässt sich die Familie gut bezahlen. Kultur hat eben ihren Preis. Dafür wird man am Ende mit einem Grappa, den der talentierte Cousin exklusiv und wahrscheinlich am Fiskus vorbei gebrannt hat, in die Nacht geschickt. Auf Kosten des Hauses, versteht sich. Wir lieben sie dafür, unsere Italiener. Die Sehnsucht nach dem Land „wo die Zitronen blühn, im dunkeln Laub die Goldorangen glühn“, wie selbst Goethe blind vor Bewunderung dichtete, ist ungebrochen und endet erst auf dem Fußballfeld.
Foto: Pixabay
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