Zicklein: Niedlich und …lecker

von | Apr 6, 2023 | Altbewährt, Aufmacher | 0 Kommentare

Kein Streichelzoo ohne Ziegen, je kleiner, desto putziger. Großes Hallo, nicht nur bei den Kindern. Auf den Gedanken, die sympathischen Tierchen zu essen, kommt so gut wie niemand. Ziegenfleisch ist hierzulande immer noch kaum bekannt, nur ab und an im Frühjahr fällt einem auf dem Wochenmarkt am Stand für regionalen Ziegenkäse vielleicht eine Zickleinkeule oder ein Zickleinrollbraten ins Auge. Keine Option für die meisten. Lamm dagegen gilt, nicht nur zu Ostern, als Nonplusultra für Feinschmecker. Ziege ist bäh.

Woran liegt das? Zum einen gewiss am Niedlichkeitsfaktor. Babys isst man nicht, wobei auch Kälber streng genommen noch Kleinkinder sind, wenn sie geschlachtet werden und als überaus beliebtes „Wiener Schnitzel“ auf dem Teller landen. Dito Lämmer, die als Milchlämmer mitunter schon im zarten Alter von zwei bis sechs Monaten ihr Leben lassen müssen. Älter als ein Jahr darf ein Lamm, das zum Braten werden soll, nicht werden. Bei Ziegen, die nicht älter als ein halbes Jahr sind, spricht man von Kitzen, Zicklein wiederum heißen Tiere, die maximal acht Wochen alt sind. Ältere Ziegen neigen dazu, etwas zäh zu werden deshalb gilt: je jünger, desto besser.

Leider hält sich hierzulande hartnäckig die Vorstellung, dass Ziegenfleisch generell nach Ziegenbock schmeckt, was freilich nur auf ältere Tiere zutrifft, deren Fleisch in Deutschland wirtschaftlich wie kulinarisch keine Rolle spielt. Zicklein schmeckt nachweislich nicht nach Ziegenbock, im Gegenteil, es hat einen angenehm nussigen, leicht süßlichen Geschmack, wobei sein Aroma an Lamm erinnert. Dabei ist das Fleisch sogar noch etwas zarter und feiner.

Doch was der Bauer nicht kennt, (fr)isst er nicht. Zwar hat der Konsum von Ziegenkäse in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten stark zugelegt. Ziegen- und Schafskäse gilt als besonders gesund, weil relativ fettarm, die Haltung von Ziegen nicht zuletzt infolge ihrer relativen Bedürfnislosigkeit – Ziegen fressen bekanntlich fast alles – zudem als ökologisch unbedenklich, was vielleicht für Deutschland zutrifft, wo die Zahl der Ziegenhöfe noch überschaubar ist. In südlichen Gefilden sieht das schon anders aus. Da ist Massentierhaltung auch bei Ziegen gang und gäbe.

Doch immer mehr Ziegenkäse genießen zu wollen und aus ethischen, ökologischen oder sentimentalen Gründen auf den Genuss von Ziegenfleisch zu verzichten, macht keinen Sinn. Denn um Milch zu geben, müssen die weiblichen Ziegen regelmäßig trächtig sein. Weiblichen Nachwuchs kann man wieder zur Milchproduktion heranziehen, doch was soll mit den männlichen Ziegenkitzen geschehen? Sie kurz nach der Geburt einschläfern, wie es in Großbetrieben in Frankreich oder den Niederlanden üblich ist, wo sie dann zu Tierfutter verarbeitet werden? Dafür ist das Zickleinfleisch definitiv zu schade.

Also sollte man sich jetzt vor Ostern einmal auf die Suche machen. Meist findet sich mittlerweile in der näheren oder weiteren Umgebung ein Ziegenhof, der neben Käse auch Zickleinfleisch über den Hofladen verkauft – und die Ziegenhalter freuen sich über jeden neuen Kunden, der seine irrationale Abneigung gegen Ziegenfleisch abgelegt hat. Beim Metzger um die Ecke, so es ihn noch gibt, sollte man vorbestellen.

Viel dran ist nicht an einem Zicklein. Am besten nimmt man eine Hinterkeule, von der zwei Personen satt werden können. Die wird großzügig mit Knoblauch gespickt, gesalzen, gepfeffert, mit Wurzelgemüse, Tomaten und Kräutern der Provence umgeben und vorsichtig im Ofen geschmort, dabei sollte man immer wieder Kalbs- oder Gemüsefonds angießen. Sonst gibt’s keine Soße, denn das Fleisch ist ja sehr mager. Kurz vor Ende der Garzeit kann man die Keule noch mit Paprikapulver besieben. Dazu kann man, wie zum Lamm, grüne Böhnchen, am besten die superfeinen, zarten aus Afrika, auch wenn Ökos bei der Erwähnung von „Keniabohnen“ aufheulen. Und vielleicht ein Kartoffelpüree, das findet auch Gnade bei Klimaklebern, zumindest als nachhaltig erzeugtes Adhäsiv.

Dabei kann man sich daran erinnern, dass Ziegenfleisch und dessen Verwertung auch in Mitteleuropa eine lange Tradition hat, die freilich in Vergessenheit geriet, seit der Ziegenhaltung zunehmen der Ruf des Prekären anhaftete. Bei der Begutachtung der Gletschermumie Ötzi haben Paläontologen herausgefunden, dass der „Mann vom Similaun“ kurz vor seinem Tod Ziegenfleisch gegessen hatte. Für seinen Tod war diese Mahlzeit aber nicht verantwortlich. Ötzi wurde vermutlich von bislang unbekannten Täterinnen und Tätern gemeuchelt.

Foto: Pixabay

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