Reden wird doch mal über Philosophie, dem Streben des menschlichen Geistes, die Zusammenhänge des Seins und die Grundsätze der Lebensführung und Daseinsgestaltung zu erkennen. Alle reden über und von Philosophie. Ständig. Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht die Philosophie eines aufstrebenden Kochs erfahren oder mit der Philosophie eines Winzers in eine neue Erkenntniswelt versetzt werden: Er möchte einfach nur gute Weine machen. Wir staunen und sind sprachlos. Wer hätte das gedacht. Kurz und bündig die Sache auf den Punkt gebracht. Philosophie ist allgegenwärtig, quasi ein Gebrauchsgegenstand um das handwerkliche Tun über eine banale Tätigkeit zu erheben. Handlung braucht Philosophie als Erklärungsbackground.
Sind wir jetzt alle Philosophen? Logisch! Die Philosophie eines Kellners ist der unfallfreie Transport einer – wenn möglich – heißen Tasse Cafe oder einer Hühnertütensuppe im unpraktischen Design-Porzellan zum Gast. „Draußen gibt’s nur Kännchen“ ist dagegen schon die programmatische Weiterentwicklung eines philosophischen Ansatzes. Aber mal ehrlich: Haben wir uns so große Philosophen vorgestellt? Sind das die Erben Kants, der mit seinem Kritizismus eine neue philosophische Tür aufgestoßen hat? Oder begegnen wir gerade im Restaurant der konsequenten Weiterentwicklung der Kant’schen Philosophie, die sich im Idealismus fortsetzt? Immerhin gehört eine kräftige Portion Idealismus dazu, zumeist schlecht gelaunte und mehr oder weniger unkultivierte Menschen mit Speis und Trank zu erheitern und auf den rechten Pfad der kulinarischen Lebensfreude zu führen. Damit wäre vorab die Frage zu klären, ob die Ansätze unserer Koch-Philosophen eher in der griechischen Philosophie zu suchen sind, oder vielleicht doch in der Philosophie des Mittelalters, nämlich der Scholastik wurzeln. Hier steht nämlich die Frage im Mittelpunkt, wie sich Offenbarung und menschliche Erkenntnis, Glaube und Wissen zueinander verhalten. Auf gut deutsch: ich glaube, ich bin genial, werde aber von den undankbaren Gästen und den dilettantischen Kritikern nicht als Kochkünstler wahrgenommen. Das ist Scholastik und hat auf den ersten Blick nichts gemein mit dem kritischen Rationalismus, der in einem späteren Diskurs für Fortgeschrittene noch näher zu beleuchten sein wird. Wenden wir uns lieber gleich der Phänomenologie zu, denn hier scheint ein gutes Stück „Philosophie für den gemeinen Alltag“ verborgen zu liegen.
Im Prinzip ist es ganz einfach: Man nehme das Normale und einfach Selbstverständliche, verkompliziere es mit ernster Miene und verpacke das Ganze in eine auch für den einfachen Gast erklärungsbedürftige Philosophie. Auch eine Bratwurst verdient mehr als ein gedankenloses Verschlingen. Vielleicht sollte sie mediterran zubereitet werden. Was immer das heißen mag. Es gilt der altbewährte Grundsatz: Dem Philosoph ist nix zu doof. Also ran an die Buletten.
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Jetzt habe ich die großen Köche dieser Welt begriffen und werde mich jetzt der kontemplativen Kochkunst zuwenden, um darin das eschatologische Moment zum Ausdruck zu bringen, das im Alltagsgericht über sich selbst hinausweist. Danke für die Anregung.
Freue mich darauf weitere Ihrer artikel zu lesen. Vielen Dank
With culinary greetings
Chef Rolf,Cleveland,Ohio