Schinkenwurst und Fleischsalat

von | Jan 13, 2023 | Altbewährt | 0 Kommentare

Wie wäre es nach dem nun zu Ende gegangenen Feiermarathon mit einem Schälchen Fleischsalat aus geschnittener Fleischwurst und Gewürzgurken, angerührt mit vollfetter, garantiert nicht hausgemachter Mayonnaise? Oder einem Assortiment verschiedener Schinkenwurst-Varietäten vom Metzger um die Ecke, falls der noch nicht vor Corona, Personalkrise und Veggiewahn kapituliert hat? Wahlweise versetzt mit Schinkenwürfeln, Paprikastückchen, Käsewürfeln, Dosenchampignons oder Pistazien, die eine Schinkenwurst flugs zur „norddeutschen Mortadella“ veredeln.

Schinkenwurst ist die Kittelschürze des deutschen Metzgerhandwerks: hoffnungslos von gestern, aber nicht totzukriegen. Sie darf in keiner Fleischtheke fehlen und wird auch als „gemischter Aufschnitt“ verkauft. Natürlich kann man mit Schinkenwurst brav ein Butterbrot belegen. Aber noch besser schmeckt sie, wenn man sie, vor der offenen Kühlschranktür stehend – Herr Habeck möge mir verzeihen angesichts dieser eklatanten Energieverschwendung – direkt aus dem Papier vertilgt, in das sie die Metzgersgattin oder der transsexuelle Lehrbub gewickelt hat.

Im engeren Sinne handelt es sich bei einer Schinkenwurst um eine Brühwurst. Dafür muss zunächst ein Grundbrät hergestellt werden. Der Metzger verwendet dazu einen Kutter aus der Keule, zusammen mit Salz und Gewürzen sowie geschrotetem Eis zu einer sehr feinen Masse gehäckselt. Die Zugabe von bis zu zwanzig Volumenprozent Eis dient dabei dazu, das Brät während des Kutterns zu kühlen, damit sich die Masse durch die sich schnell bewegenden Kuttermesser nicht erhitzt, das Eiweiß gerinnt und die Fleischmasse körnig wird. Außerdem dient das Wasser zur Lockerung des Bräts.

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Die Lyoner, das „Steak des Bergmanns“

Die hellrote Fleischcreme wird alsdann mit den gewünschten Additiven – Schinkenstücke, Paprika, Pilze, Pistazien, Käse – vermengt, die eigentlich nur Dekoration sind und geschmacklich keinen echten Mehrwert bieten. In Kunstdarm abgefüllt, muss die Wurst hernach gebrüht werden, bevor man sie am Stück oder scheibchenweise verkauft. Oder weiterverarbeitet, etwa zu Fleischsalat, wobei hier auch eine Lyoner bzw. Fleischwurst zum Einsatz kommen kann, bei der das Brät ohne weitere Zusätze in einen Naturdarm gefüllt und gebrüht wird.   

Die meisten Feinschmecker dürften einer deutschen Schinkenwurst mit Skepsis begegnen. Sie greifen lieber zu den modischen, luftgetrockneten Schinkenspezialtäten aus Italien wie San Daniele, Parmaschinken oder einem dünn aufgeschnittenen Südtiroler Speck. Sicher, der feine Geschmack eines hauchdünn geschnittenen Prosciutto die Parma ist kaum zu übertreffen. Doch das ist dann schon wieder eine festtägliche (und zudem nicht billige) Delikatesse. Außerdem gibt es auch bei Parmaschinken und San Daniele, einem Tummelplatz mafiös organisierter Lebensmittelfälscher, gewaltige Qualitätsunterschiede, die ohne vorherige Geschmacksprobe, zumal in abgepacktem Zustand, kaum zu erkennen sind. Mit einer vom Metzger unseres Vertrauens hergestellten Schinkenwurst ist man dagegen meist auf der sicheren Seite.

Ins Umfeld von Schinkenwurst und Fleischwurst gehört auch die Zungenwurst oder „Blutzunge“, eine Blutwurst, in die Stücke von Rinder- oder Kalbszunge eingearbeitet sind. Bei Heinz Becker, Hilde und Stefan, in deren betulicher Häuslichkeit auch die Kittelschürze überlebt hat, gehörte sie unbedingt in den Einkaufswagen (hier, ab 15:40), natürlich zusammen mit der im Saarland infolge der Nähe zu Frankreich sehr populären, einst als „Steak des Bergmanns“ bekannten Lyoner. In Frankreich heißt die Lyoner nicht Lyoner, sondern Cervelas. Man kann sie auf burgundische Art warm in einer Rotwein-Zwiebel-Sauce servieren. Mit deutscher Schinkenwurst sollte man den Franzosen lieber nicht kommen.  

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