Legendenbildung oder schaffen Legenden Bildung?

von | Aug 3, 2022 | Ausgetrunken | 0 Kommentare

Es gibt sie zu Hauf, sie tauchen in allen Weinbauländern auf und scheinen resistent gegen jede Art von Aufklärung zu sein. Legenden rund um den Wein haben Tradition! Oft von Generation zu Generation weitergegeben, bilden sie für viele Weinfreunde die sichere Grundlage eines gefährlichen Halbwissens und damit die Basis für dämliche Kommentare und staatstragende Vorträge rund um das Thema. Eine der populärsten, aber auch hartnäckigsten Legenden, ist die Behauptung, der sogar ernstzunehmende Winzer und offizielle Weinbau-Institutionen erliegen, dass der Wein im Weinberg wächst. Wir wollen nicht päpstlicher als der Papst sein: aber Wein wächst im Weinberg, auch wenn es die annähernde Wortgleichheit suggerieren mag, definitiv nicht! Im Weinberg, zumindest war das der letzte Stand der akademisierten Landwirtschaft, wachsen erst einmal Trauben. Einfach nur Trauben. Das ist von der Natur tatsächlich so gewollt. Denn es gibt auch Trauben, aus denen besser kein Wein gekeltert wird, eine Erkenntnis, die einige Winzer tunlichst ignorieren. Der Volksmund nennt sie „Esstrauben“, was bis auf einige Ausnahmen einen durchaus zynischen Beigeschmack hat. Kaufen kann man das Zeug das ganze Jahr über im Supermarkt und Discounter. Dagegen werden in den bekannten Weinbauregionen, auch das war der letzte Stand der EU-Landwirtschaft, weitgehend Trauben angebaut, aus denen später einmal Wein werden soll. Auch der landet immer mal wieder in Supermärkten und Discountern, und das zu Flaschenpreisen, die oft unter dem Kilopreis der sogenannten „Esstrauben“ liegen.

Dieses marktwirtschaftliche Phänomen wirft natürlich die Frage auf, ob Wein nicht doch im Weinberg wächst und entsprechend keine Produktionskosten entstehen, was in vielen Fällen den niedrigen Verkaufspreis einer Flasche Wein erklären würde. Den endgültigen Beweis, dass Weine nicht im Weinberg wachsen, liefern die Winzer selbst. Wer jemals eine organisierte Weinreise gemacht hat und aufmerksam war, wird festgestellt haben, dass die meisten Winzer weniger ihre Weinberge, dafür aber voller Stolz ihre Keller und die darin verstaute Technik zeigen. In diese werden Millionenbeträge investiert, das Neuste vom Neusten angeschafft, um dem Geschmack auf die Spur zu kommen. Und natürlich um Weine zu machen. Auch wenn sich viele Besserwisser immer wieder an dem Wort „Winemaker“ stören, so trifft es am Ende doch den Nagel auf den Kopf. Nicht umsonst ist der Kellermeister der Held des Weingutes und weniger diejenigen, die den Weinberg übers Jahr hinweg hegen und pflegen. Eine wichtige und notwendige Voraussetzung ist das allemal, denn ohne ein qualitativ einwandfreies Traubengut geht nichts. Aber die letztendliche Entscheidung, wie der Wein in die Flasche kommt, wird auch und gerade in renommierten Weingütern im Keller getroffen. Oder wachsen jetzt auch schon Cuvées im Weinberg, schließlich sind viele große und berühmte Weine wie Champagner und die Gewächse aus dem Bordelais geschickte Kompositionen, hinter denen eine ausgetüftelte Keller- und Ausbautechnik steht. Und wie wären die physikalischen, chemischen, mikrobiologischen und organoleptischen Methoden der Önologie, die in aller Regel im Keller stattfinden, einzuschätzen, wenn sie keinen nachhaltigen Einfluss auf den Wein, seinen Charakter und Stil haben würden? Kontrolliertes Nichtstun im Keller? Das klingt nach souveränem Marketing für die Romantiker unter den Weinfreunden, aber allein durch Handauflegen ist noch kein großer Wein in die Flasche gekommen. Doch daran werden sich auch weiterhin die Geister scheiden.

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