Reden wir doch mal über die Olympischen Spiele. Hätte man mehr von unserer Truppe erwarten dürfen? Mehr Gold? Öfter mal auf dem Treppchen statt vorzeitig in der Umkleidekabine? Selbst der unerschrockene Dauerzuschauer bei ARD und ZDF kennt kaum noch die Hymne aller Deutschen. Sie wird einfach zu wenig gespielt. Eben nur für Sieger. Da schauen wir doch lieber in die Weinszene. Hier hagelt es Goldmedaillen, von Silber und Bronze ganz zu schweigen.
Tja, liebe Olympioniken, da schaut ihr. Winzer müsste man sein. In der deutschen Weinwelt hat selbst der bis dato unbekannte Lokalmatador Riesenchancen auf verdiente Lorbeeren. Er muss sich nur den richtigen Wettbewerb aussuchen und die erste und einzige Qualifikationshürde nehmen: „Mutti schick denen mal unsere Jahrgangs-Kollektion mit den Analysedaten!“ Dann winken attraktive Preise. Denn schon die Teilnahme an einem der unzähligen Wein-Wettbewerbe und Verkostungen ist mindestens Bronze oder eine Ehrenurkunde wert. Letztere kennen die nicht mehr ganz Junggebliebenen noch von den Bundesjugendspielen.
„Dabei sein ist alles“, die unbekümmerte Weinszene hat das olympische Motto zum Programm gemacht. Und mehr. Dabei sein ist auch gleichzeitig die Auszeichnung. (Bitte vorher die Teilnahmegebühr überweisen, Medaille und Urkunde werden extra berechnet). Ist das nicht wahrer Sportsgeist? Endlich haben auch die kleinen, ewig zu kurz gekommenen Betrieben eine Chance, aus dem Schatten der von einer unkontrollierten Journaille hoch geschriebenen Weingüter herauszutreten. Jetzt haben alle von der gnadenlosen Leistungsgesellschaft Benachteiligten die Möglichkeiten, vinologisch in Berufung zu gehen. Die bunt zusammen gewürfelte Jury garantiert Überraschungen, da soll die Welt aufhorchen.
Deutschland überholt auf der Kriechspur. Platz da! Denn von höchster Stelle schallt der Ruf in die internationale Weinwelt: die besten Weine kommen aus Deutschland. Sozusagen verordnet par ordre de Mufti. Die Welt weiß davon noch nichts, aber die Lobeshymnen machen Mut. Vor allem kommt unser Riesling. Immerhin trinken ihn sogar die Amis, und das will etwas heißen. Wir verabschieden ihn mit großen Worten, bevor er seinen Siegeszug antritt, hinaus in die übersättigte Weinwelt, als strahlendes Aushängeschild einer gebeutelten und verkannten Weinnation.
Vielleicht unser letzter kulinarischer Kreuzzug, bevor Deutschland endgültig den Löffel abgibt, denn mit Eintopf und Würstchen hat es ja nicht ganz geklappt. Und Riesling passt ja so gut zu Asia-Food, dem man nirgendwo mehr entrinnen kann. Und erst zur mediterranen Küche (bitte keine Gauloises in der Küche rauchen!). Wir sind begeistert. Das Ganze nennt sich dann deutsche Weinkultur und feiert sich mit einem erfrischenden Solaris, wahlweise einem Portugieser oder Grauburgunder. Schließlich gilt es auf den Riesling anzustoßen. Denn mal Prost!
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Ich finde, in den 70ern war es deutlich schlimmer. Manchmal pappten drei Siegel auf kleinen Flaschen: DLG rot, Bronzemedaille und Silbernes Band. Das hat glücklicherweise nachgelassen.