Seit einigen Jahren schippert die deutsche Ausgabe des einflussreichen Restaurantführers durch stürmische Gewässer. Im Jahre 1969 von Henri Gault und Christian Millau als französischer Guide gegründet, erschien der „Gault&Millau“ erstmals 1983 im Münchner Christian Verlag als deutsche Lizenz-Ausgabe. Im Mai 2020 kam der renommierte Restaurantführer unter das Dach des Burda-Medienkonzern, im Februar 2022 stand ein erneuter Verlagswechsel zur Henris Edition an, in der vor wenigen Wochen der aktuelle Guide erschienen ist. Leider der letzte unter der Federführung von Dr. Christoph Wirtz, der nach drei Jahren das Amt des Chefredakteurs abgibt. An wen ist bis dato noch unbekannt. Der Verlag hält sich bedeckt und dankt in einer Pressemeldung Christoph Wirtz mit den üblichen, verbindlichen Floskeln und dem obligatorischen Hinweis auf eine gute Zusammenarbeit. An der wird es, wen man Wirtz etwas kennt, sicher nicht gelegen haben. Was also genau hinter der Trennung steckt erfährt die Öffentlichkeit zunächst nicht.
Bedauerlich ist der Abschied von Christoph Wirtz allemal, vor allem aus der Sicht der Leser. Denn Wirtz stand für eine klare und damit verständliche Restaurant-Kritik, zelebrierte kein pseudo-intellektuelles Geschwafel verpackt in Eitelkeiten, sondern setzte auf sachliche, fundierte und faire Kritik. Wirtz wirkte schon deswegen glaubhaft, weil er nicht aussah wie ein Abbild des unbekannten Magenkranken, der seit Jahren seinen Friseurtermin vergessen hat, sondern wie der sprichwörtliche Bonvivant, dessen Passion den Körper formt und den Geist inspiriert. Kein kulinarischer Blender, sondern ein authentischer Genießer mit der akzeptablen Lust am Übergewicht, der sich in Interviews immer kompetent und witzig ausnahm. Mit der Idee, die Restaurant-Bewertung einzig über die Anzahl und die Farbe der Hauben/Kochmützen zu kommunizieren und auf die Vergabe von Punkten zu verzichten, hat Christoph Wirtz vor einem Jahr den Gault&Millau mutig und richtungsweisend erneuert. Dagegen ist die Vergabe der diesjährigen Auszeichnungen des Restaurantführers ausschließlich an Frauen ein nett gemeintes Augenzwinkern. Bleibt zu hoffen, dass der Lotse kein sinkendes Schiff verlässt, und dass der Nachfolger dort weitermacht, wo Christoph Witz leider aufgehört hat.
Foto: G&M
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