Die „Frau am Herd“, einst Schreckensbild aller Emanzen und Sinnbild für die Reduzierung alles Weiblichen aufs traute Häusliche, zuvörderst die Pflege und Aufzucht des Nachwuchses und der Rundumversorgung des Hausherrn, der mit einer vermeintlich richtigen Arbeit idealerweise die wirtschaftliche Existenz der Familie garantiert, ist in den meisten Haushalten längst von den Errungenschaften der Lebensmittelindustrie abgelöst worden. Am heimischen Herd stehen heißt heute für viele nicht mehr schnibbeln, kochen, abspülen, sondern vorgefertigtes Industriefutter aufwärmen und das Plastikgeschirr im Müll entsorgen. Nicht Alice Schwarzer steht für die Befreiung der Hausfrau, sondern Waschmaschine, Spülmaschine, Elektroherd und Convenience-Food.
Das umgekehrte Klischee bedient „Frau am Herd“ im Restaurant, wo sie für ihre Arbeit bezahlt wird. Für viele Zeitgenossen ist das der Beweis, dass sie es geschafft haben, dass sich Frauen in einem weitgehend von Männern dominierten Berufsfeld endlich ihren Platz erobert haben. Und das muss gefeiert werden! Frauenpower ist dabei nur einer der überstrapazierten Begriffe, wenn die vermeintlichen Triumphe der Emanzipation beschrieben werden. Doch das ist, wie so oft bei Klischees, nur die halbe Wahrheit.
Frauen standen (und stehen) in Gastwirtschaften und Wirtshäuser schon seit langer Zeit am Herd, sie waren (und sind vielerorts) Garanten für die Weiterexistenz der gutbürgerlichen Küche, während Männer ihren Platz hinter dem Tresen haben und, nicht immer ohne Eigennutz, den Zapfhahn betätigen.
Die Arbeit am Herd war (und ist oft bis heute immer noch) ein Knochenjob, auch wenn die Kochstellen nicht mehr von Hand befeuert werden müssen. Heiß ist es in Küchen immer noch. Trotzdem gab es immer Frauen, die sich den physischen Herausforderung stellten, und mit dem Aufkommen der Restaurant-Bewertungen zur gehuldigten Meisterinnen ihres Faches avancierten. So wie Anne Boutiaut, 1851 in Nevers geboren und bekannt für ihre Omelette-Kreationen. Als Köchin und Gastwirtin „Mère Poulard“ schrieb sie französische Gastro-Geschichte. Oder Eugénie Brazier, Jahrgang 1895, die im Jahre 1933 als erste Frau mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde. Niemand anders als Paul Bocuse absolvierte in ihrer Küche seine Kochlehre.
Braziers Kollegin Marie Boureois, geboren 1870, bekam für ihr Restaurant in Priay ebenfalls die höchsten Weihen des Guide Michelin. Die dritte im Frauen-Bunde war Marguerite Valentin Bise, geboren 1898 in Paris, die im Jahre 1951 mit ihren Kolleginnen sternemäßig gleichzog. Unvergessen auch Doris-Katharina Hessler, die 1979 als eine der ersten Frauen in Deutschland einen Michelin-Stern erhielt, den sie bis zu ihrem plötzlichen Tod 2004 jedes Jahr bestätigen konnte. Heute gehören die Französinnen Hélène Darroze, Anne-Sophie Pic, Dominique Crenn und Amandine Chaignot zur kochenden Elite, ebenso wie die Nordirin Clare Smyth, die baskische Sterneköchin Elena Arzak, Pia León aus Peru, die Kolumbianerin Leonor Espinosa und Douce Steiner, die gerade vom Restaurantführer Gault&Millau als erste „Köchin des Jahres“ gekürt wurde. Nicht zu vergessen Sigrid „Sigi“ Schelling, einst Sous-Chefin bei Hans Haas im „Tantris“ und heute mit ihrem eigenen Restaurant „Werneckhof“ in München Gault&Millau-„Aufsteigerin des Jahres“. Haas sagte einst über sie: „Wir verstehen uns blind.“
Natürlich kann man wie die Redaktion des Gault&Millau der Meinung sein, es sei nun an der Zeit, eine Lanze für mehr Frauen am Profiherd zu brechen. Doch die Tatsache, dass die Spitzengastronomie überwiegend in den Händen von Männern liegt, ist wohl weniger dem Geist der Frauenverachtung als der Tatsache geschuldet, dass professionelles Kochen, vor allem in der Oberliga, neben den bereits erwähnten körperlichen Herausforderungen nur schwer mit Familienplanung in Einklang zu bringen ist. Außerdem sind Frauen in der Regel weniger Karriere orientiert als Männer.
Laut dem Verband der Köche Deutschlands (VDK) entfielen 2012 von 6222 Berufsabschlüssen als Koch/Köchin 1449 auf Frauen, also knapp ein Viertel, mit sinkender Tendenz. Grund dafür, dass sich immer weniger Frauen für eine Karriere in der Profiküche entschieden, seien die langen Arbeitszeiten und die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bestätigte VKD-Vizepräsidentin Marketa Schellenberg und forderte „Strukturen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen“.
Sicher mag auch der raue Ton, der in manchen Küchen herrscht, eine Rolle spielen. Wobei Douce Steiner bei ihrer Lehre in einem französischen Drei-Sterne-Restaurant als einzige Frau unter 45 Männern nicht denunzierend zum „Spiegel“ rannte, sondern in der Auseinandersetzung mit einem Kollegen aus Neuseeland das einzig Richtige tat: Sie warf ihm eine Pfanne hinterher. „Danach waren wir die besten Freunde.“
Foto: Pixabay
0 Kommentare