Wiener Schnitzel

von | Sep 17, 2022 | Aktion | 0 Kommentare

Wer in Oberösterreich noch ein Wiener Schnitzel unter zehn Euro essen wolle, müsse „wohl oder übel an einem Tisch im Restaurant eines Möbelhauses Platz nehmen“, las ich jüngst in den Oberösterreichischen Nachrichten. Im österreichischen Durchschnitt koste ein Schnitzel heute 12,46 Euro, elf Prozent mehr als vor einem Jahr, jammert der Autor des Artikels, wobei mir die Preissteigerung durchaus noch moderat erscheint.

Ein Wiener Schnitzel unter zehn Euro würde ich selbst nicht anrühren, ob im Möbelhaus oder einem richtigen Gasthaus. Dann lieber gleich Köttbullar bei IKEA. Denn es kann sich nach menschlichem Ermessen bei solch einem Discount-Schnitzel nur um eines vom Schwein handeln, wahrscheinlich ein schon in der Fabrik fix und fertig paniertes und vorgebackenes Exemplar „Wiener Art“, das in der Fritteuse seine letzte Ölung erhalten hat. 

Ein echtes Wiener Schnitzel muss dagegen zwingend aus Kalbfleisch zubereitet werden, am besten aus dem Endstück des Nackens („Schlussbraten“), alternativ aus Kalbsnuss oder Oberschale, jeweils Teilen der Keule. Hauptsache, es ist frei von Fett und Sehnen. Wolfram Siebeck verlangt, dass das Fleisch exakt (!) zwei Wochen abgehangen sein soll und in ein Zentimeter dicke Scheiben quer zur Faser geschnitten werden muss. 

Sollen die Ökos doch ihren Salat mümmeln

Ohne einen vertrauenswürdigen Metzger werden diese Bedingungen nur schwer zu erfüllen sein. Die Zubereitung selbst ist dann nicht besonders kompliziert: Fleisch sanft (!) auf etwa 6 Millimeter Dicke plattieren – Profis wickeln die Fleischteile dafür in Plastikfolie ein, damit das Fleisch nicht am Fleischklopfer hängen bleibt und zerreißt. Fanatische Ökos schreien jetzt natürlich „Igitt, Plastik!“. Doch die halten eh alles für überflüssig, was praktisch ist und gut schmeckt. Sollen sie ihren Salat mümmeln, während wir es uns gutgehen lassen. 

Die Schnitzel zuerst in Mehl, dann in geschlagenem (ganzen) Ei wenden und hernach in Semmelbröseln, wobei man darauf achten sollte, die Krümel gut anzudrücken. Neben der Qualität des Fleisches ist die der Brösel entscheidend. Es gibt nämlich auch Paniermehl, das nicht aus getrocknetem und geriebenem Weißbrot hergestellt wird und eine ganz andere Konsistenz und einen recht muffigen Geschmack aufweist als echte Semmelbrösel. Wenn man sichergehen will, kann man Semmelbrösel leicht selbst herstellen.

Wichtig ist, das panierte Schnitzel sofort (die Panade darf nicht durchweichen!) in die Pfanne zu hauen, in der reichlich Butterschmalz heiß, wenn auch nicht zu heiß geworden ist. Ist es zu heiß, verbrennt die Umhüllung, bevor das Fleisch gar ist. Und eine verbrannte Panade gilt bei einem Wiener Schnitzel als Super-GAU schlechthin. Am Ende sollte das Fleisch goldgelb aus der Pfanne kommen, eventuell mit einem „Hauch von hellbraun“ (Siebeck). Vor dem Servieren das Schnitzel auf Küchenkrepp abtropfen lassen. Als Beilage gibts Kartoffelsalat, der klassisch mit Brühe angemacht ist, oder mit einer Vinaigrette, in der auch steierisches Kürbiskernöl zum Einsatz kommen kann, das einen wunderbar nussigen Geschmack hat. Aus dem grünschwarzen Öl lässt sich auch eine delikate Mayonnaise als Dip für allerlei (jedoch kein Wiener Schnitzel) fabrizieren.

Schnitzel vs. Piccata milanese

Wenn ich gezwungen bin, in einem mir unbekannten Restaurant zu speisen, bestelle ich mir fast immer ein Wiener Schnitzel, wenn’s denn sein muss, auch eines „Wiener Art“. Denn bevor ich mich einem Koch ausliefere, der mit Tütensoßen im Konkubinat lebt, halte ich mich lieber an Frittiertes. Irgendwie schmeckt Fettgebackenes immer wegen seiner Knusprigkeit, dem intensiven Fettgeschmack und der köstlichen, wenn auch potenziell gesundheitsschädlichen Acrylamid enthaltenden Röststoffe, die dafür verantwortlich sind, dass Kartoffelchips süchtig machen. Kinder, Spezialisten fürs Unwiderstehliche, wissen das intuitiv, weswegen auf keiner Kinderspeisekarte Schnitzel und Pommes fehlen dürfen. Falls man Pommes anstelle eines Kartoffelsalats als Beilage wählt, empfehle ich ergänzend ein Schälchen Preiselbeerkompott, weil das Gericht sonst eine allzu trockene Angelegenheit wäre. Fast so trocken wie die beliebte Schnitzelsemmel, deren Genuss bei mir immer Hustenreiz auslöst.

Zur Herkunft des Wiener Schnitzels als dem österreichischen Nationalgericht neben Sachertorte und Kaiserschmarrn gibt es wie immer eine hübsche Legende. Angeblich liegt dessen Ursprung in Mailand, wo es bis heute als „Piccata milanese“ bekannt ist, allerdings mit der entscheidenden Variation, dass dem Paniermehl geriebener Parmesankäse zugesetzt wird und als Beilage Pasta mit Tomatensoße üblich sind. Josef Wenzel Graf von Radetzky (1766–1758), Statthalter des Kaisers im einst österreichisch besetzten Oberitalien, soll es wahrscheinlich unter den Klängen des Radetzkymarsches in sein Heimatland überführt haben. Auf der Reise über die Alpen kam auf irgendeine Weise leider der Parmesankäse abhanden. 

Ich liebe ein echtes Wiener Schnitzel, weil es ein ebenso einfaches wie feines Gericht ist, das den zarten Eigengeschmack guten Kalbfleischs perfekt zur Geltung bringt. Doch eine Piccata milanese ist vielleicht noch einen Tick verführerischer, wenn man den intensiven Geschmack geschmolzenen Käses liebt. Und wer täte das nicht!

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