Ja is denn scho Weihnachten“? Dieses berühmte Zitat von „Kaiser“ Franz Beckenbauer bekommt in diesem Jahr eine ganz neue Bedeutung, denn die Frage ist auch im Juli berechtigt. Der Wissenschaft zum Trotz, die uns einen verheerenden Klimawandel in Aussicht gestellt hat, der demnächst die Wogen des Mittelmeeres in den Vororten von München plätschern lassen und dem deutschen Weinbau auch auf Sylt trinkbare Ergebnisse bringen soll, scheinen die Sommertemperaturen in diesem Jahr in Deutschland eher zu fallen als zu steigten. Kälteeinbrüche im Norden, herbstliche Temperaturen in der Mitte und zurückhaltender Sonnenschein im Süden. So sieht’s aus, liebe Meteorologen und Sterndeuter! Gäbe es nicht den alljährlichen Kult um die sogenannten Sommerweine, wäre man als Durchschnittsbürger in Sachen Jahreszeiten ja völlig orientierungslos. Auch der Supermarkt um die Ecke verspricht keine Hilfe mehr, das ganzjährliche Angebot an Obst und Früchten aus aller Herren Länder hat immer Saison. Wer kennt denn noch die Erntemonate heimischer Früchte? Allein der frische Stangespargel hat den „Allesimmerhabenwollen-Terror“ überlebt und weckt nur für wenige Wochen kulinarische Begehrlichkeiten.
Um so dankbarer sind wir all jenen Spezialisten, die den Sommer mit ihren Wein-Empfehlungen einläuten. In allen Gazetten tauchen sie dann auf, meist banale und einfache Weine zu günstigen Preisen, die angeblich für die heißen Stunden des Sommers wie geschaffen sind. Gut gekühlt serviert, lautet der Tipp der Experten, die Grundvoraussetzung, um den geübten Gaumen zu überlisten und eine vermeintliche Leichtigkeit vorzugaukeln, die dem Sommergefühl Vorschub leistet.
Gleichzeitig mit dem Erscheinen der Sommerweinen überrollt die Grillwelle das Land. Wer etwas auf sich hält, nutzt Balkon, Terrasse oder Vorgarten, um archaischen Nahrungszubereitungsmethode zu huldigen und gleich einer sakralen Handlung daran zu erinnern, dass unsere Vorfahren das Feuer offenbar in erster Linie zum Grillen entdeckt haben. Rohes Fleisch trifft auf Hitze und Feuer, eine geniale Liaison, die vor allem die urzeitlichen Gene von Männern anspricht. Längst Kult und mittlerweile auch zur Kunst erhoben, erfordert allein die Anschaffung des vermeintlich richtigen Grillgerätes nicht nur Sachverstand und physikalische Kenntnisse, sondern auch eine Investment-Bereitschaft, die den Normalverdiener vor finanzielle Probleme stellen kann. Ausgetüftelte Teufelsmaschinen gehen schnell in die Hunderte, ja Tausende, lieber spart man an der Qualität des Grillfleisches.
Weil das ohnehin meist rauchig und verbrannt schmeckt, tut es auch das marinierte Steak vom Discounter. Und wenn der gestandene Grillmeister, zu erkennen an der Motivschürze, ausnahmsweise mal den richtigen Garzeitpunkt erwischt hat, um das Steak rechtzeitig aus der Glut zu befreien, machen die gekauften Barbecue-Saucen das Geschmacksbild wieder zunichte. Jetzt drängt sich allerdings die Frage auf, ob leichte und unkomplizierte „Sommerweine“ zum deftigen Grillgut passen? Oder sind sie, wie ein Weinexperte unlängst schrieb, auch als edle Begleiter für edle Sommergerichten geschaffen? Was aber bitteschön sind denn edle Sommergerichte?
An Plattitüden wird also nicht gespart, Hauptsache die Plörre kommt aus dem Regal. Die meisten Sommerwein-Empfehlungen sind doch in der Regel nicht mehr, als ein erfolgreiches Marketinginstrument, langzeitgetestet in den harten Wintermonaten, um dem ahnungslosen Verbraucher die Billigweine schmackhaft zu machen, die er ohnehin am liebsten kauft. Ist der Sommer vorbei, passen auf einmal wieder schwere Rotweine oder weiße Gewächse im zweistelligen Prozentbereich zu Fleisch und Fisch. Auch vom Grill. Dann freuen wir uns also auf den kommenden Herbst und Winter, wenn die Experten wieder jene Weine empfehlen, die so viel Charakter und Substanz mitbringen, dass sie uns den Sommer vergessen lassen.
Foto: Pixabay
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