Die neuen Guides: Weintester im Delirium

von | Nov 24, 2023 | Aufmacher, Ausgetrunken | 2 Kommentare

Immer im Herbst horcht die Weinwelt auf. Zum einen steht der neue Jahrgang ins Haus, über dessen Qualität aus berufenem und unberufenem Mund schon orakelt wird, bevor die erste Traube geerntet ist. Zum anderen kommen im Herbst die Wein-Führer auf den Markt, aus denen der geneigte Leser erfährt, was es qualitativ mit den aktuellen Weinen auf sich hat, welcher Betrieb zu den Besten der Besten gehört, und welcher Winzer nun endlich die höheren Weihen empfangen hat und sich Spitzenwinzer nennen darf. Damit die Expertise seriös erscheint, verkostet sich eine Heerschar von Experten quer durch das Sortiment der zur Probe aufgestellten Weine.

Seit Jahren ganz in Rot erscheint der Vinum Weinguide, in dem, laut Verlag die 1000 besten Weingüter Deutschlands und über 10.500 Weinempfehlungen aufgezählt sind. Redaktionelle Unabhängigkeit gehört zur Philosophie des Weinguides, der keine Verkostungs- oder Teilnahmegebühren erhebt. Genau 1080 Seiten dick ist das Buch. Zu jedem Weingut gibt es einen mehr oder weniger informativen Text, die Weine werden nach dem 100 Punkte-System bewertet. Hinter der Vergabe der begehrten Punkte steckt eine illustre Tester-Schar, vom ehemaligen Weinhändler über den weinaffinen Mediziner und Apotheker, bis hin zum Weinsammler. Und natürlich gehören Sommeliers zum Verkoster-Team, Sterne und Sternchen aus dem immer größer werdenden Topf der vermeintlichen Weinfachleute.

Sie alle bewerten nicht nur die Weine aus den ihnen zugeordneten Anbaugebieten, sondern küren auch das Weingut des Jahres, den Aufsteiger, die Entdeckung, Talente und die Weinpersönlichkeit. In diesem Jahr hat die Vinum Redaktion Thomas Anders aufs vinologische Schild gehoben, einst der sonnengebräunte langhaarige Teil der Pop-Gruppe „Modern Talking“.

Nicht weniger kompakt und ganz in Grün erscheint der Weinguide Gault&Millau, der große Klassiker der kompetenten Kritik. In dem rund 700 Seiten starken Buch sind rund 6000 Weine aus 650 Weingütern bewertet, dazu gibt es Empfehlungen der besten Spirituosen. Wer sich die dazu gehörige App runterlädt, hat digitalen Zugriff auf weitere 20.000 Weine aus 1300 Weingüter. Ein lohnendes Schnäppchen! Auch hinter dem Gault&Millau steckt ein Expertenteam, vornehmlich sind es Sommeliers aus der ersten Liga wie etwa Melanie Wagner vom Schwarzen Adler in Oberbergen, oder Nina Mann aus dem mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurant „Victor’s Fine dining“ von Christian Bau. Geleitet wird das Verkoster-Team von Otto Geisel, einem wohltuend unaufgeregten Experten und einem Grandseigneur der Weinszene, dem Personenkult und Selbstdarstellung, die lange Zeit das Markenzeichen des Gault&Millau Weinguides waren, fremd ist.

Auch Geisel und sein Team küren eine Weinpersönlichkeit, in diesem Jahr sind es die Winzer Werner und Frank Schönleber von der Nahe. Dazu gibt es Auszeichnungen für die Kollektion des Jahres, den Kellermeister, die Genossenschaft, den am höchsten bewerteten Neueinsteiger, die Visonäre, die Handschrift und den Impulsgeber des Jahres, und eine ganze Reihe an Winzer der Next Generation. Beschrieben werden die Weingüter in knappen knackigen Texten, die Weine selbst werden, wie auch das Weingut, mit schwarzen und roten Traubensymbolen von eins bis fünf bewertet. Beide Weinguides sind alphabetisch übersichtlich nach Regionen sortiert und bieten Profis wie Laien eine gute Orientierungshilfe auf der Suche nach Weinen. Die Weingüter sind mit allen wichtigen Fakten aufgeführt, bezüglich der Einschätzung und Bewertung der Betriebe und ihrer aktuellen Weine gibt es weitgehend Übereinstimmung. Eine zum Buch passenden App bieten beide WeinGuides an, der Gault&Millau hat dazu neben den Weingutsadressen QR-Cod.

Foto Pixabay

2 Kommentare

  1. Als selektiv weinaffiner, jedoch ausgesprochen bibliophiler Apotheker vermisse ich an dieser Stelle den „Eichelmann“, der in der 24. Auflage ebenfalls einen qualifizierten Zugang zu Deutschlands Weinen bietet: Selbst wer nicht nach Stern*Innen auswählt, vermag sich Neues zu erschließen.

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    • Da haben Sie sicher recht, lieber Herr Köhler, der „Eichelmann“ ist ebenfalls ein kompetenter Guide durch die Weinwelt.

      Wir haben uns aktuell auf die beiden großen Klassiker konzentriert, werden Ihre Anregung aber im nächsten Jahr gerne berücksichtigen.

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