Traditionslokale: Warum hat niemand den Mainzer “Specht” gerettet?

von | Sep 22, 2023 | Aufmacher | 2 Kommentare

Es war (wieder) einmal ein Traditionsgasthaus. Diesmal nicht irgendeines, sondern die älteste Gastwirtschaft der Stadt Mainz und ganz sicher auch eine der ältesten der ganzen Republik. Schon im Jahre 1594 tauchte der „Specht“, so der Name der „echt Meenzer Wertschaft“ am Eingang der Rotekopfgasse in der Mainzer Altstadt, in den Steuerlisten der Stadt auf.

2021 hatte der „Specht“ seine Tore geschlossen, nach vierzig Jahren in der Obhut des Ehepaares Rupp, das in den verdienten Ruhestand getreten war. Ein Eigentümer- oder Pächterwechsel wäre prinzipiell kein Drama, wenn die Tradition fortgeführt würde. Eine Tradition, die in diesem Fall fast ein halbes Jahrtausend (!) zurückreicht und der Stadt Mainz, die einen großen Teil ihres historischen Gedächtnisses in den Bombennächten des Zweiten Weltkrieges verlor, zur Ehre gereichen müsste.

Doch der „Specht“ mit seiner gutbürgerlichen Küche und seiner aus der Zeit gefallenen Gemütlichkeit war einmal. Das Haus heißt jetzt „Zenbi“ und hat sich auf “Sushi & Asian Cuisine” spezialisiert: Sushi, Thai-Curry und modische Reisbowls statt Schnitzel, Spundekäs und Schoppenwein also. Wie zu hören war, hatte sich niemand außer dem aus Offenbach stammenden Gastronom Minh Dang Nguyên für die Nachfolge des Ehepaares Rupp interessiert.

Von der bisherigen Einrichtung blieben zwar die alten Deckenbalken mit der Aufschrift des Baujahres 1594 und die dunklen Holzvertäfelungen an den Wänden erhalten – jetzt kombiniert mit asiatischer “Kunst”, Fototapeten und Plastik-Kirschblütenzweigen. Ein etwas merkwürdiges Crossover.

Aufgegessen.info hält diesen Fall für einen Skandal. Nein, es geht nicht darum, dass ein offenbar tatkräftiger Gastronom mit vietnamesischen Wurzeln in den Räumen des ehemaligen „Specht“ den Schritt in die Selbständigkeit wagt. Es geht auch nicht darum, dass er, ökonomischem Kalkül folgend, das anbietet, was gerade gefragt zu sein scheint, auch wenn es sich im Zweifelsfall nur um einen billigen Abklatsch asiatischer Kochkunst handelt.

Es geht darum, dass die Stadt Mainz, seit Corona und dem Geldsegen seitens  des hier angesiedelten Pharmaherstellers Biontech eine der reichsten Städte der Republik, offenbar keinerlei Anstrengungen unternahm, nach einer Lösung zu suchen, die dem „Specht“ im Geiste einer „echten Meenzer Wertschaft“ eine Zukunft gegeben hätte. Wo eigentlich steht geschrieben, dass eine Kommune hier nicht tätig werden kann und muss? Anderorts gelingt es doch immer wieder, solche Traditionshäuser am Leben zu erhalten, wobei sich auch genossenschaftliche Lösungen anbieten. Warum sah man tatenlos zu, wie abermals ein Stück Mainzer und in diesem Fall auch deutscher Geschichte den Rhein hinuntergeschwemmt wurde?

Warum gelang es nicht, im Rahmen einer breiten Rettungsinitiative tatkräftige jüngere Leute für dieses einmalige Stück Stadtgeschichte zu interessieren? Gerne mit zeitgemäßen Konzepten unter Wahrung der Tradition? Warum wurde nicht die Presse aufmerksam und startete eine Leseraktion zur Rettung des „Specht“? Warum sprach man nicht das Ehepaar Ugur Sahin und Özlem Türeci  an? Die Biotech-Gründer sind im Zuge von Corona unter durchaus nicht unumstrittenen Umständen zu Multimilliardären geworden und wären vielleicht interessiert daran gewesen, ihrer Heimatstadt etwas zurückzugeben. Warum auch hier wieder, Minh Dang Nguyên möge entschuldigen, ein x-beliebiger Durchschnitts-Asiate?

Es ist eine Schande!   

Foto: Pixabay

2 Kommentare

  1. Gott, wie xenophob! Haben Sie die Küche dort getestet, bevor Sie vom “billigen Abklatsch” asiatischer Küche” schreiben und andere Menschen als “Durchschnitts-Asiaten” bezeichnen? Und leben wir nicht in einer freien Gesellschaft, wo niemand dem Mitmenschen vorschreiben möge, was er zu essen habe? Vielleicht ist ja, was ich persönlich auch betrüblich finde, einfach kein Bedarf mehr nach Traditionsgastronomie (außer für uns unkultivierte Briten, wenn wir zur Fassenacht als Touris kommen). Dann muß man das zwar mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, aber das gibt niemandem das Recht, gegen einen vietnamesischen Gastronomen zu hetzen!

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    • Hier ging es doch gar nicht um Hetze, mein Gott bleiben Sie auf dem Boden. Das Asiaten auf die kulinarischen Wünsche der heutigen Zeit aufspringen und Essen anbieten ist ja vielerorts bekannt, so schmeckt manchmal auch das Essen. Ich könnte Ihnen in Berlin ein Dutzend solcher Asiaten nennen, um die ich einen großen Bogen mache und lieber zum Berliner Hackepeterbrot greife. Leider gibt es solche Lokale immer weniger, das stand im Vordergrund. Alles etwas tiefer hängen bitte

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