Der Gast ist König. So jedenfalls will es das ungeschriebene, immer wieder zitierte Gesetz der Gastronomie und stellt sich damit selbst ein Bein. Denn das honorige Ansinnen entpuppt sich allzu oft als Narrenfreiheit für eine unerzogene Horde unkultivierter Zeitgenossen, die nach dem Motto „wer zahlt, lässt auch die Puppen tanzen“ verfährt. Damit ist das Wort Gast im eigentlichen Sinne schon konterkariert und angemahnte Gastfreundschaft, die von Seiten der Gastgeber vor allem bedingungslose Dienstleistung fordert, nur noch unter Bauchschmerzen möglich.
Bedauerlicherweise haben die wirtschaftlichen Zwänge auch und vor allem in der Gastronomie dazu geführt, dass sich heute jeder fast alles erlauben kann. Keine Sanktionen oder Platzverweis solange gezahlt wird, schlechte Manieren sind längst hoffähig geworden und befinden sich quasi in bester Gesellschaft. Und während eine Heerschar von professionellen und laienhaften Gastro-Kritikern Küche und Service peinlich genau unter die Lupe nehmen, kümmert sich niemand um die Schwierigkeiten, denen gerade junge Menschen am Beginn ihrer Berufslaufbahn in der Gastronomie ausgesetzt sind. Denn immer mehr Zeitgenossen leben ihr offensichtlichen Minderwertigkeitskomplexe außerhalb der eigenen vier Wände aus.
Während man zu Hause Discount-Futter durch die Mikrowelle schleudert, wird im Restaurant und Hotel auf die vermeintliche Sahne gehauen. Der pöbelnde Gast mit Hang zum Herrenmenschen ist leider nicht die Ausnahme, dazu werden in Punkto „Mitnahme“ Restaurant und Hotel immer öfter zum Selbstbedienungsladen. Keiner wirft den ersten Stein, ein Freibrief, der schlechtem Benehmen und Stillosigkeit unter dem Deckmantel einer falsch verstandenen Gastlichkeit Tür und Tor öffnet.
Während der Service im schicken Gewand agiert und mit silbernem Vorlegebesteck den Gast bedient, lümmeln sich Gäste ungeniert in gewagter Freizeitkleidung in den bequemen Sesseln, wird die Küche mit variantenreichen Umbestellungen gequält und immer öfter auch mit den Preisen gepokert. Drei Flaschen zum Preis von einer, das Wasser muss selbstverständlich kostenlos gereicht werden und die Tischbestellung soll in einer Pauschalen zusammengefasst werden. Als Bonbon wandert dann noch der silberne Salzstreuer mit nach Hause, sogar vor schicken Toilettenbürsten, immerhin ordentlich aus der Wand geschraubt, machen unerschrockene Mitnehmer keinen Halt. Was Gastronomen und Hoteliers diesbezüglich erzählen können, sprengt längst den Rahmen des sportlichen Verschwindenlassens von Gläsern oder Kaffeelöffeln. Die Selbstbedienungsmentalität, die sich durch alle Klassen zieht, hat längst ein Niveau erreicht, das schamlos vor keiner Peinlichkeit mehr Halt macht.
Foto: Pixabay
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