Vom Koch der Köche Paul Bocuse wird gesagt, er habe die Vertreter seiner Zunft erst ans Licht der Öffentlichkeit geholt. Also gewissermaßen aus dem Dämmer der Kombüsen tief im Bauch des Schiffes aufs Sonnendeck. Zwar gab es schon vor Bocuse große Köche wie Auguste Escoffier, die bekannt und berühmt waren. Doch erst seit der Bocuse zugeschriebenen Revolution der Nouvelle Cuisine ist es allgemein üblich geworden, dass sich Köche selbst unscheinbarer Restaurants stolz ihre Namenszüge auf die Kochmontur sticken lassen und nach geschlagener Küchenschlacht die Honneurs im Gastraum machen.
Einzuwenden ist nichts dagegen und manchmal ergibt sich ja auch eine interessante Plauderei. Allerdings wünscht man sich, dass der Küchenchef seine Ehrenrunde tunlichst in einer neuen, blütenweißen Kochjacke absolviert. So proper und frisch aus dem Ei gepellt, wie sich Bocuse in der Öffentlichkeit zu präsentieren pflegte. Wobei dem 2018 verstorbenen Meister zu Gute kam, dass er in späteren Jahren nur noch selten selbst am Herd stand. Einmal wurde er gefragt, wer in seinem berühmten Dreisterne-Restaurant in Collonges-aut-Mont d‘Or denn koche, wenn er einmal nicht anwesend sei. Antwort: Derselbe, der das macht, wenn ich da bin.“
Dieses Privileg genießen jedoch nur wenige Chefs. So ist nicht verwunderlich, wenn das Erscheinungsbild vieler Köche zu wünschen übrig lässt. Braune Soßenspritzer auf der Kochjacke sind beim Rundgang im gepflegten Gastraum ebenso unpassend wie Füße in Plastik-Bequemlatschen, die Zeichen mehrtägiger Plackerei in der Küche tragen.
Manchmal sieht man die Herren Kochkünstler auch an der Tür zur Küche stehen, Fluppe im Mundwinkel, Handy in der Hand. Angesichts der Schwerarbeit, die in vor allem mit Sternen und Hauben dekorierten Profiküchen geleistet wird, ist gegen eine Zigarettenpause nichts einzuwenden, doch hofft man inständig, dass sich der Malboromann nach Rückkehr an seinen Arbeitsplatz die Hände waschen möge. Und ob beim Abschmecken der Speisen immer derselbe Löffel zum Mund geführt wird, möchte man gar nicht so genau wissen.
Leider sind die hoch aufragenden Kochmützen, Toques genannt, aus der Mode gekommen. Junge Köche tragen heute gerne ein (schmuddeliges) Basecap, der Schirm nach Art jugendlicher Skater lässig nach hinten gedreht, oder auch mal eine Art Kopftuch, Bandana genannt. Doch immer häufiger meint man, gänzlich auf eine schützende Kopfbedeckung verzichten zu können – und die Behörden schauen meist nicht so genau hin. Wenn man dann in einer einsehbaren Küche als Gast mit ansehen muss, wie sich die Herren beim stressigen „Frontcooking“ durch die Haare fahren oder am Kopf kratzen, kann einem schnell der Appetit vergehen. Haare im Essen sind neben Küchenschaben oder Mäusekot das Unverzeihlichste, was in einem Restaurant passieren kann und müsste sofort und ausnahmslos mit Aberkennung jeglicher Auszeichnungen und in schweren Fällen mit Lizenzentzug geahndet werden.
Dass heute immer mehr Köche, der Mode entsprechend, Bärte tragen, die notabene nicht bedeckt werden können, müsste eigentlich die Gewerbeaufsicht auf den Plan rufen. Und Tattoos, mit denen neuerdings auch Küchenchefs vor allem ihre Arme schmücken, färben zwar beim Kochen nicht ab, doch macht diese Art des Körperschmucks immer noch einen etwas „schmuddeligen“ Eindruck, selbst wenn die gesellschaftliche Akzeptanz dieses einstigen Halbwelt-Accessoires gestiegen ist.
Noch eine Mode, die in punkto Hygiene und gutem Anschein zu denken gibt: Neben den Toques sieht man auch weiße Kochjacken und die grau karierten Hosen als Bestandteile der traditionellen Bekleidung von Köchen immer seltener. Wer etwas auf sich hält nicht nur in der Welt der Sterne und Hauben, kleidet sich heute in schwarz, auch mal in dunkelblau. Distinktion ist schließlich alles, nicht nur auf dem Teller. Dabei hatte die weiße Farbe ja ihren Sinn. Auf einem weißen Grund sieht man nämlich sofort jede Verunreinigung und kann das betreffende Kleidungsstück wechseln. Weiß signalisiert Hygiene und Sauberkeit, dunkle Farben eher das Gegenteil.
So findet „Casual (Fine) Dining“ findet seine Entsprechung im „Casual Cooking“. Doch was im Gastraum eher Stilfragen aufwirft, kann in der Küche zum Problem werden.
Foto: Pixabay
0 Kommentare