Jenseits von Wackersdorf – die Oberpfalz kulinarisch

von | Okt. 4, 2024 | Aufmacher | 1 Kommentar

Es gibt Menschen, die immer noch die Oberpfalz mit der Rheinpfalz verwechseln, worüber die selbstbewussten Oberpfälzer nicht gerade begeistert sind. Denn obwohl historisch miteinander eng verbunden, sind die Landstriche und ihre Bewohner so unterschiedlich, wie sie nur sein können. Die Rheinpfalz oder Kurpfalz ist ein einziger Wein- und Obstgarten, ein Garten Eden, die Menschen bodenständig, aber weltoffen und genussfreudig, was auch ein früherer Bundeskanzler unter Beweis stellte, der Staatsgäste, ob sie wollten oder nicht, zu Saumagen und Pfälzer Riesling in ein Traditionsrestaurant an der Pfälzer Weinstraße nötigte.

Die Oberpfalz dagegen ist ein karger, im Gegensatz zum Rheintal relativ dünn besiedelter Landstrich mit Ackerbau, Teichwirtschaft und ausgedehnten, Wild reichen Wäldern, bewohnt von einem eher rauen, zurückhaltenden, aber keineswegs unsympathischen Menschenschlag. Wein gibt’s hier keinen, wenn man einmal absieht von einem winzigen, nur fünf Hektar großen Anbaugebiet an der Donau nahe Regensburg, das wohl auf die Römer zurückgeht. Doch ist die Oberpfalz von einer nennenswerten Weinkultur weit entfernt, hier wird Bier getrunken, schließlich ist Tschechien mit seiner weltberühmten Pilskultur nicht weit.

Kulinarisch hatte die Oberpfalz, im Gegensatz zur Rheinpfalz, bislang wenig zu bieten. Doch ist „bayerisch Sibirien“ gerade dabei, sich zu einer ernst zu nehmenden und vielfältigen Genussregion zu mausern, was vor allem engagierten Gastronomen zu verdanken ist wie Anton Schmaus, der in Regensburg, „Hauptstadt“ der Oberpfalz, ein kleines Gastroimperium etabliert hat mit dem Gourmetrestaurant „Storstad“ als Flaggschiff.

Dort servieren Schmaus und sein Team allerdings keine niederbayerisch-oberpfälzische Regionalküche, sondern euro-asiatische Fusionküche und zwar so konsequent und handwerklich perfekt, als habe er diese mittlerweile allgegenwärtige Mode geradezu erfunden. Doch bei Schmaus wirkt der Stil durchaus authentisch. Wer es original japanisch bevorzugt, kann gleich nebenan vom Storstad in der ebenfalls von Schmaus geführte, mit einem Michelinstern dekorierte Sushibar „Aska“ einkehren, wo mit Atsushi Sugimoto ein wahrer Meister japanische Esskultur zelebriert.

Was noch fehlt in Schmaus“ kulinarischem Portfolio ist ein echtes Wirtshaus, kommt der Patron doch aus einem solchen und schwärmt privat für traditionelle Kost, etwa Fleisch vom bayerischen Weideochsen mit Ei und Bratkartoffeln, die niederbayerische Variante eines Tiroler Gröstls mit Preiselbeeren, oder ein schnörkelloses Cordon bleu. Ein Reporter der Süddeutschen Zeitung zeigte sich anlässlich eines Interviews mit dem Chefkoch der deutschen Nationalelf beeindruckt von der „freudvollen Mühelosigkeit“, mit der Schmaus die Teller polierte.

Nicht weit von Regensburg entfernt an den Gestaden der Naab findet sich eine weitere Adresse, die Zeugnis davon gibt, dass die Oberpfalz auch kulinarisch Anschluss gefunden hat, das Landgasthaus Hummel in Wischenhofen nahe des reizenden Städtchens Kallmünz. Dort serviert Stefan Hummel in seiner „Gourmetstube“ internationale Sterneküche, doch gleich nebenan im Alten Saal gibt’s bodenständige Kost, gekocht auf hohem Niveau mit besten Zutaten und gelegentlich aufgepeppt durch internationale Klassiker wie einer umwerfenden Bouillabaisse, wie man sie besser auch nicht in Südfrankreich serviert bekommt. Sonst regiert eine geerdete „Geradeaus-Küche“: Hummels Schaschlik mit Pommes, Rahmschnitzel, Ochsenbraten mit Reiberknödel, Zwiebelrostbraten mit Jus und Bratkartoffeln, Rehbraten. Und zum Dessert hausgemachtes Vanilleeis mit heißen Himbeeren und Sahne, ein unvergänglicher Klassiker.

In der gleichen Liga spielt Adrian Kuhlemann vom „Kuhlemann“ in Neustadt an der Waldnaab unweit von Weiden. Seine Küche hält eine wohltuende Balance zwischen Regionalität und – in diesem Fall französischer konnotierter – Weltläufigkeit. Auch er fährt zweigleisig und unterhält neben einer Feinschmeckerabteilung eine Wirtshaus-Alternative, das Fischerstüberl. Hier gibt’s auf einer kleinen, wechselnden Karte so schöne Sachen wie Rotwildragout mit Spätzle oder pochierten Blumenkohl mit Sauce Gribiche. Zu Preisen, die an Münchner Verhältnisse gewöhnte Gourmets erblassen lassen. Hier spiegelt sich noch die randständige Lage der Oberpfalz, was in diesem Fall durchaus kein Nachteil ist.

Adrian Kuhlemann legt größten Wert darauf, dass die meisten Zutaten für seine überaus geschmackigen Kreationen aus der näheren Umgebung kommen und hat sich ein Netzwerk an Qualitätsproduzenten aufgebaut. Dabei profitiert er von den Recherchen des Oberpfälzer Slowfoodteams, das mit seinem Einkaufsführer „ganz hervorragende Arbeit“ leiste. Mehl und Dinkelreis etwa kommt aus der Schustermühle in Kemnath, Bier von der Handwerksbrauerei Floss, Geflügel vom Landgut Federkiel in Püchersreuth, Fisch von Andreas Rösch in Bärnau und Spargel vom Biohof Brunner in Weiden. Obwohl sich auf dem Feld der Produzenten einiges getan habe, sei es „immer noch ein brutal schwieriges Feld hier hinten bei uns“, sagt Kuhlemann.

Nur beim Käse hapert es gewaltig in der Oberpfalz, die traditionell keine Käsekultur besitzt. Hier ist geschmackloser Scheiblettenkäse leider noch Standard, nicht nur auf den Frühstücksbuffets. Doch ist immerhin mit Maitre Antony einer der berühmtesten französischen Affineure in der Oberpfalz vertreten, wo er das Zweisterne-Restaurant „Obendorfers Eisvogel“ im Wellnessresort Birkenhof bei Neunburg vor dem Wald mit seinen perfekt gereiften Käsespezialitäten beliefert.

Wenn Restaurantleiter Christopher Pech den Käsewagen auffährt, muss man sich erst einmal zwicken, ob es sich bei dem Industriekomplex am Horizont wirklich um Wackersdorf handelt, das einstige Schlachtfeld der Atomkraftgegner in der Oberpfalz. Nicht ohne Grund wollte man die atomare Wiederaufbereitungsanlage seinerzeit im nordostbayerischen Outback etablieren. In der Hoffnung, dass das Projekt scheitern würde, erwarb die Familie Obendorfer jenes Grundstück, das heute Anlaufstelle für Gourmets aus Nah und Fern geworden ist.

Foto: Pixabay

1 Kommentar

  1. Meine alte Heimat macht sich (endlich). Schöne Anregungungen für den nächsten Besuch, vielen Dank. Grüße aus der neuen Heimat in der (Wein- und Sekt-)Pfalz!

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