Bei meinem REWE-Händler um die Ecke gibt es Dubai-Schokolade. Die Sensation wird schon an der Eingangstür annonciert. Doch im Schokoladenregal sucht man vergeblich nach der Trendsüßigkeit. Die findet sich nämlich hinter der Kasse neben den Tabakwaren. Schokolade und Tabak ist keine so außergewöhnliche Kombination. Es gibt Aficionados, die sich ultrabittere Schokolade zu einer guten Cohiba gönnen. Doch bei Dubai-Schokolade handelt es sich, wie auf der hellgrünen Verpackung ersichtlich, um (süße) „Milk Chocolate“. Oder ist die vielleicht mit dem neuerdings halblegalen Cannabis versetzt und steht deshalb bei den Suchtmitteln.
Das Rätsel klärt sich, als ich das Preisschild sehe: 14.90 Euro für die 200 Gramm-Tafel. Deshalb also muss ich den Kassierer bitten, mir eine Tafel auszuhändigen, wie das bei Zigaretten, teuren Rasierklingen oder Alkoholika der Fall ist. Bei diesem Fantasiepreis, denke ich, muss die allseits gehypte Wunderschokolade Naschkatzen geradewegs in den Himmel katapultieren, mindestens so hoch wie die auf der Packung abgebildete Silhouette von Dubai City mit dem 828 Meter hohen Burj Khalifa, dem höchsten Gebäude der Welt.
Produzent der Schokolade ist eine mir bislang unbekannte Firma namens Bind. Ausweislich der Unternehmensauftritts im Internet der erste „boutique chocolate manufacturer“ in der Türkei, gegründet im Jahre 1971. Erfunden hat Dubai-Schokolade jedoch kein Türke, sondern eine gewisse Sarah Hamouda, Gründerin des Unternehmens Fix Dessert Chocolatier, das sie seit 2021 in dem für seine Luxusläden und ultramoderne Architektur bekannten Emirat am Persischen Golf anbietet. Angeblich hatte sie sich das Rezept während ihrer Schwangerschaft ausgedacht. In Dubai soll die Schokolade umgerechnet etwa 16,60 Euro kosten. Dass sie sich zu einem globalen Hit entwickeln würden, hätte sie nie gedacht, sagte Hamouda dem Sender CNN.
Als mit der REWE-Kassierer die Tafel aushändigt und ich dafür fast 15 Euro hinblättere, macht er ein gequältes Gesicht. Was muss das für ein Irrer sein, der bereit ist, für diese läppische Süßigkeit so viel zu berappen wie für zehn Tafel Milka-Schokolade? Ich bemühte mich, dem Mann, der sicher nicht zu den Bestverdienenden gehört, zu vermitteln, dass ich mich dieser Schokolade aus beruflichen Gründen widme, weiß aber nicht, ob er mir das abgenommen hat. Dann trug ich die Tafel mit einem Hochgefühlt der Erwartung nach Hause.
Was Dubai-Schokolade ausmacht, steht hinten auf der Zutatenliste. „Milchschokolade gefüllt mit Antep-Pistazien und Kadaifi. Antep-Pistazien aus Gaziantep in Südostanatolien gelten als die besten Pistazien der Türkei. Bei Kadifi handelt es sich um dünne, knusprige Teigfäden, auch Engelshaar genannt, die man zusammenlegt, mit Sirup tränkt und mit Nüssen oder Zimt bestreut, ein traditionelles Dessert des balkanisch-levantinischen Raumes. Als Bestandteil von Dubai-Schokolade soll es für den heute allseits beliebten Knuspereffekt sorgen.
Was so teuer ist, muss gut sein – das gilt übrigens auch für Weine über fünfzig Euro, wo der Preis nicht mehr mit dem Geschmack korreliert, sondern dem, was auf dem Etikett steht. Doch die Geschmacksprobe enttäuscht. Natürlich ist Pistaziencreme lecker, eine Umamibombe sondergleichen. Und auch der Crunch des Engelshaars macht Spaß auf der Zunge. Aber die Schokolade selbst wirkt billig.
Insgesamt ist das Produkt vor allem eines: extrem süß und extrem magenfüllend. Nach zwei Stücken hat man das Gefühl, ein Stück Blei verschluckt zu haben. Überhaupt sind mit wilden Füllungen versehene Schokoladen, wie sie auch die österreichische Schokoladenfabrik Zotter anbietet, keine wirkliche kulinarische Bereicherung, weil sie den feinen Geschmack guter Schokolade überdecken.
Mag sein, dass es bessere Produzenten gibt als Bind, aber der Hype um Dubai-Schokolade, der schon allerlei Produktderivate wie Dubai-Eiscreme oder Dubaischokoladen-Crepes hervorgebracht hat, wird nicht lange halten. Sicher nicht länger wie jener um Instagram-Süßigkeiten wie Cupcakes, Cronuts, Zimtschnecken oder Pawlowas, wobei Zimtschnecken und Pawlowas immerhin noch eine kulinarische Tradition für sich in Anspruch nehmen können. Dubai-Schokolade dagegen war nie mehr als ein hoffnungslos überteuertes Mitbringsel aus einem nichtssagenden Retortenstaat. Die Frage ist, warum Journalisten so scharf darauf sind und ihre Medien als kostenlose Werbeplattformen zur Verfügung stellen.
Foro: Puxabay
Vor 14 Tagen war ich in Nürnberg, da gabs das Zeug auf dem Wochenmarkt.
Hab aber keinen gesehen, der es gekauft hätte.