Restaurantschick: Zeitlos unmodern

von | Apr 14, 2023 | Aufmacher | 1 Kommentar

Wer mit offenen Augen durch die vermeintliche Spitzengastronomie tingelt, sich die Zeit zwischen den ständigen Grüßen aus der Küche nimmt, um den Blick etwas länger auf dem einen oder anderen Detail verweilen zu lassen, wird Verblüffendes feststellen: Die Tempel des guten Geschmacks lassen sich die noble Ausstattung etwas kosten: von großartigen Künstlern in erfrischender Dadaismus-Manier designtes Geschirr, für den gemeinen Gast, der nicht in der Oralchirugie tätig ist, mehr oder weniger unpraktisch aber sündhaft teuer. Für jedes noch sündhaft teureres Mineralwasser ein eigenes Glas, das die Perlage des Medium-Wassers unterstreicht und die nicht vorhandenen Aromen auch nicht zur Geltung bringt. Bestecke aus purem Gold oder von Herrn Sterling handgeschmiedet, von verkannten Künstlern in mühsamer Heimarbeit gesteckte Blumenarrangements, die selbst auf Prominentenbeerdigungen Aufsehen erregen würden und eine Tischwäsche, aus deren Stoff man die Bayreuther Festspiele mit wallenden Kostümen ausstatten könnte.

Doch welches Bild gibt der Service ab, wie erscheinen die Jungen und Mädels vor dem staunenden Gast? Meist farblos, gehüllt in tiefes monotones Schwarz, einheitlich trist in der Farbe der Trauer gewandet und im Schnitt zeitlos. Die höheren Chargen tragen Anzüge, für die niedrigen Handlangerdienste wird das Jackett durch eine Weste ersetzt. Darunter das unvermeidliche weiße Hemd, für alle gleich und mit einer Krawatte geschmückt, die gegen jeden Modetrends resistent zu sein scheint. Auch für alle gleich. Selbst gutaussehende junge Damen müssen ihren Astralkörper in diesem nichtssagenden Einheitsgewand verbergen, zum Leidwesen des aufmerksamen Gastes und dessen geschulten Augen für alles Schöne.

Gaumenfreuden hin oder her: Wo bleiben die optischen Genüsse, die selbst die Lufthansa auf Inlandsflügen bietet und ihre Saftschubsen in schicke Kostümchen zwängt. Doch in der deutschen Gastronomie triumphiert, zumindest beim optischen Erscheinungsbild mehr oder weniger Geschmacklosigkeit. Junge Damen und gestandene Frauen in dunkelgrauen und schwarzen Hosenanzügen, die keinem Modecheck standhalten und Karl Lagerfeld zur Verzweiflung gebracht hätten. Kein modisch schickes Schuhwerk – gibt es auch in bequemen Varianten – das selbst den Gang von Ungeübten zum Catwalk macht. Dafür zeitlose Fußbekleidung mit Gummisohle, atmungsaktiv und wasserabweisend. Gastronomen und Hoteliers sollten lieber in das Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter investieren, statt in unpraktisches Geschirr und einen übertriebenen Gläserkult. Wenn nämlich das Auge mitisst, wie der Volksmund sagt, dann sollte so manches Restaurant auch beim Essen im wahrsten Sinne des Wortes die „Blindprobe“ einführen.

Foto: Pixabay

1 Kommentar

  1. Völlig korrekt, das Erscheinungsbild ist manchmal gruselig, aber es wird ja in vielen Restaurants noch schlimmer: bis zu den Fingerspitzen tätowiertes Personal – männlich und weiblich – und das in einer Kleidung, die einem Flohmarkt angemessen wäre… und dann kommt noch das obligate: „alles ok“ – statt der einfachen Frage: schmeckt es Ihnen?….

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