Generation Mohrenkopf-Brötchen

von | Feb. 21, 2025 | Aufmacher | 5 Kommentare

Wie heißt er denn nun eigentlich? Schaumkuss, Schokokuss, oder Schokoladenballen? Gar Mohrenkopf oder Negerkuss? Eine Frage, an der sich seit Jahren die Geister scheiden, und die das kleine Gebäck, das angeblich Ende des 19. Jahrhunderts von Leipziger Bäckern erfunden wurde, mit einer aggressiv geführten Rassismus-Debatte konfrontiert, die in ihrer Heftigkeit selbst Menschen mit dunkler Hautfarbe überrascht und nicht nur für die Generation „Mohrenkopf-Brötchen“ eine politisch und ideologisch motivierte Behauptung ohne gesellschaftsrelevante Beweise darstellt.

Aus dieser Generation kommen wir und dachten nicht im Traum daran, dass mit der  kindlichen Bitte im heimischen Bäckerladen „Ich hätte gerne ein Mohrenkopf-Brötchen“ etwas ganz und gar Böses gemeint sein könnte. Auch die Bäckersfrau machte damals keine Anstalten, uns einen Vortrag über koloniale Wirrungen, Fremdenhass alter weißer Männer, Geschlechter und woke-feindliche Diskriminierungen zu halten. Sie schnitt in aller Ruhe ein Brötchen auf, legte einen Mohrenkopf auf die untere Hälfte, und drückte die zweite Hälfte obendrauf.

Das war ein denkbar einfacher und billiger Snack. Nicht besonders gesund, aber nahrhaft und fast ebenso beliebt wie die morgens oft noch warmen, riesigen Streuselkuchen, die hier verkauft wurden. Alltägliche Normalität in einer provinziellen Kleinstadt, in der Menschen unterschiedlichster Couleur, Herkunft und auch politischer Anschauung friedlich lebten und respektvoll miteiandern umgingen. Wie sich doch die Zeiten ändern.

Mohrenkopf-Brötchen sind schon lange aus den Bäckereien verschwunden, und wenn es sie noch gäbe, dürfte man sie natürlich nicht mehr Mohrenkopf-Brötchen nennen. Schon gar nicht dürften Kinder das sagen, denen man den Rassismus austreiben muss, bevor sie überhaupt wissen was das ist. In Parenthese: Was immer mal wieder in Bäckereien auftaucht sind sogenannte „Amerikaner“ mit schwarz-weißer Zuckerglasur. Wie dieses imperialistisch-rassistische Gebäck den wachen Augen der Moralhüter immer wieder entgehen kann, ist uns ein Rätsel.

Doch zurück zum Mohrenkopf-Brötchen, das heute politisch korrekt „Schokoschaumkuss-Brötchen“ heißen muss. Klingt etwas kompliziert, auch die kürzere Form „Schokokussbrötchen“ wirkt irgendwie artifiziell und nicht wirklich Appetit anregend. „Negerkuss-Brötchen“ geht gar nicht. Nicht mal „N-Kussbrötchen“ liegt noch im unteren Toleranzrahmen. Wer das in seinem Bäckerladen anbieten würde, müsste sich nicht wundern, wenn morgens um fünf Uhr ein Sondereinsatzkommando der Polizei vor der Tür stehen, um mit richterlichem Segen die Backstube zu durchsuchen.

Auch wir von aufgegessen.info würden das Wort Negerkuss nicht in den Mund nehmen wollen, es hat in der Tat etwas Herabwürdigendes. Doch gegen die Bezeichnung „Mohrenkopf“ kann man, wenn man die Fakten kennt, durchaus nichts einzuwenden haben. Das Wort leitet sich ursprünglich von den (dunkelhäutigen) nordafrikanischen Mauren ab, jenen Berberstämmen, die auf dem Gebiet des heutigen Marokko lebten und im 8. Jahrhundert zusammen mit muslimischen Arabern große Teile der Iberischen Halbinsel eroberten. Im Laufe der Zeit wurde es auf alle dunkelhäutigen Menschen übertragen. Die „Mauren“ brachten viele kulturelle Errungenschaften der muslimischen Welt ins christliche Europa, etwa auf dem Gebiet der Medizin und Pharmazeutik. Deswegen heißen bei uns immer noch etliche Apotheken „Mohren-Apotheke“, gewissermaßen ein Qualitätssiegel.

Selbst in der ansonsten eher linkslastigen Online-Enzyklopädie Wikipedia heißt es:

„Häufig außer Acht gelassen wird bei der Diskussion um den Terminus „Mohr“ als rassistischer Stereotyp, dass der Begriff in der Geschichte durchaus positiv besetzt war. So wurden Apotheken nach dem Mohren benannt, um zu suggerieren, dass der Betrieb über das große medizinische Wissen der „Mohren“ verfüge. Gastwirtschaften und Restaurants wollten, zum Teil bis heute den Namen führen, um die Schmackhaftigkeit der Gerichte zu betonen. Speisen wie der „Mohrenkopf“ oder der „Eismohr“ wurden so benannt, um die Verkaufszahlen zu fördern.“

Es sei „schwer vorstellbar“, dass diese Namen aus rassistischen Gründen verwendet wurden. Übrigens waren es die Nazis, die etwa die Mohrenstraße in Coburg in „Straße der SA“ umbenannten und den Mohren aus dem Coburger Stadtwappen entfernten, um, so Wikipedia, „keine positive Konnotation des Mohren mit der Stadt aufkommen zu lassen“. In diesem Sinne könnte man es durchaus als Akt des Rassismus werten, wenn heute mancherorts in einem Anfall akuter Wokeness Apotheken, Hotels oder Straßen mit dem Namen Mohr umbenannt wurden und werden.

Wir haben für Sie Mohrenköpfe unterschiedlichster Hersteller im In- und Ausland getestet, wobei nur ein Produzent, die Schweizer Firma Dubler, an der alten Bezeichnung festgehalten hat. Alle anderen Hersteller sprechen von Schokoküssen. Hauptbestandteil der wie auch immer genannten Küsse ist eine aus Zucker und Eiweiß sowie Stabilisatoren bestehende Schaummasse, die auf eine Waffelunterlage gespritzt und mit Schokolade überzogen wird. Die Schaummasse schmeckt fast immer nur mehr oder weniger süß, während es bei der Schokolade und der Waffel mitunter große Qualitätsunterschiede gibt. Mohrenköpfe oder Schokoküsse sollte man auf jeden Fall so frisch wie möglich genießen. Nach ein paar Tagen wird die Schaummasse zäh und verliert ihre fluffige Lockerheit. Im Kühlschrank sollte man sie nicht aufbewahren.

Die Einzelheiten unseres Tests veröffentlichen wir in der kommenden Woche, pünktlich zu Fasching/Fastnacht/Karneval.

Foto: Pixabay

5 Kommentare

  1. Oje, oje, bei uns in Bonn – Bad Godesberg (und das war ja das wohlsituierte Diplomatenviertel) hieß das zu meiner Grundschulzeit Ende 70er/Anfang 80er Jahre schlichtweg „Gammler“ und kostete 2 Groschen.
    Rückblickend hab ich da gleich zweimal Nazi-Sprech im Brötchen gehabt…

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  2. Mohrenkopfbrötchen, super! Neben unserer Schule, in der Bäckerei. Das von Mutter geschmierte Hausmacherleberwurstbrot ohne Gurke wurde verschenkt. Früher sagte man dufte oder klasse, heute ist alles läckker!

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  3. Bin ja gespannt, ob sich irgendwann die Schweden aufregen, dass euer mohrenkopf bzw negerkuss in Österreich seit Jahrzehnten unter dem Begriff schwedenbomben verkauft werden… da lässt sich sicher was diskriminierendes daran finden!

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  4. Bin auch ein Mitglied der Negerkuss*-Brötchen-Generation.
    Für 50 Pfennig in der großen Pause eine Kalorien- und Zucker“Bombe“, als Grundlage um die nächsten 3 Schulstunden bis zum Mittag zu überstehen.

    * Keine Ahnung warum wir Negerkuss sagten und nicht Mohrenkopf. Meine Vermutung ist, daß die Bäcker in unserem Provinzdorf das PR-Memo nicht erhielten, daß Mauren/Mohren eine Aufwertung bedeuten würde. Schokolade war dunkel, und daß es unterschiedliche Menschen südlich des Mittelmeers gibt war etwas für die Intelektuellen in der Großstadt.

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  5. Bei uns im normalsituierten Bonn, nur ein paar Meter weiter nördlich gelegen von Bad Godesberg, bekam ich von den Endsiebzigern bis zum Anfang der Neunzigerjahren mit dem Ausdruck „Quetschbrötchen“ immer das gewünschte Objekt der Begierde.

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