Kulinarisches Hitzeprepping mit aufgegessene.info

von | Juli 19, 2024 | Aufmacher | 0 Kommentare

Der von marktschreierischen Medien und Wetterportalen seit Tagen annoncierte Mega-Sahara-Wetterlage mit Temperaturen bis zu 33 (!) Grad dürfte in diesem mauen „Sommer“ bald wieder ausgestanden sein. Trotzdem tut man gut daran, sich für sehr heiße Tage, wie es sie auch im mitteleuropäischen im Sommer ja immer mal wieder geben soll, zu wappnen. Ich selbst habe mir gerade einen supermodernen Vertikallüfter zugelegt, einen recht formschönen Apparat, der bei Bedarf ordentlich Wind macht und den man sogar per Fernbedienung steuern kann. Gewissermaßen die Platz sparende Variante eines herkömmlichen Ventilators, von denen die von der Decke herabhängenden Propeller, wie man sie aus Filmen über die Kolonialzeit kennt, die effektivsten sind. Sie benötigen allerdings sehr hohe Räume, die nur in den teuren Altbauwohnungen der Ökobourgeoisie zu finden sind.

Klima-Prepping funktioniert auch in der Küche. In meiner Jugend servierte meine Mutter, wenn die Temperaturen über 30 Grad stiegen und die Kinder hitzefrei hatten, oft eine Kaltschale. Dafür rührte sie immer irgendein Pulver von Dr. Oetker an und auf den Suppenspiegel setzte sie kleine Wölkchen aus gezuckertem Eischnee. Wir Kinder  störten uns nicht an dem künstlichen Geschmack, nein, wir liebten die mütterliche Kaltschale und die Hitze ebenso, denn sie ließ einen wohlig und beschäftigungslos in den Sommertag hineindösen. Wenn es gar zu kochend wurde bei uns im Rheingau, einem klimatisch bevorzugten (in Zeiten der Klimahysterie würde man wohl sagen: benachteiligten) Weinbaugebiet, war das Schwimmbad nicht weit, wobei ich selbst oft den  Rasensprenger vorzog, weil ich Angst hatte, von anderen Jungs untergetaucht zu werden: Kindheitstraumate.

Am, besten ist es natürlich, wenn man eine Kaltschale ohne industrielle Unterstützung zubereitet. Zurzeit bieten sich dafür Sauerkirschen an. Die sollte man unbedingt entsteinen, wozu eine Schürze sehr empfehlenswert ist. Dann die Kirschen mit Rotwein aufgießen, je nach Geschmack Zucker, Zimt, etwas Zitronenschale hinzufügen und aufkochen lassen, ohne dass die empfindlichen Früchte zerfallen. Zum Schluss die „Kirschsuppe“ mit etwas Speisestärke leicht abbinden. Wenn man mehr Speisestärke nimmt und vielleicht noch andere Beeren (Brombeeren, Himbeeren, Erdbeeren, Blaubeeren) griffbereit hat, nennt man das Ergebnis  „Rote Grütze“. Das ist ein Dessert, während eine Kaltschale als Vorgericht bzw. Suppengang zählt. Neben süßen Kaltschalen gibt es auch pikante, von denen die iberische Cazpacho oder die französische Vichyssoise die bekanntesten sind.

Jetzt bin ich ein wenig abgeschweift, denn eigentlich soll es in dieser Ausgabe meiner Kolumne um den Eiskaffee gehen, eine typisch sommerliche Erfrischung, die an heißen Tagen oft den nachmittäglichen Kuchen ersetzt. Leider ist die Eiskaffee-Kultur hierzulande, wenngleich die Süßspeise auf fast jeder Speisekarte zu finden ist, nicht besonders ausgeprägt. Meist serviert einem der Ober oder die Servierdame einen dünnen, kalten Kaffee minderer Qualität, in dem zwei Vanilleeiskugeln ebenfalls minderer Qualität schwimmen, obenauf Sahne aus der Sprühflasche. Wenn das Eis sehr kalt war, lässt es einen Teil des Wassers im Kaffee gefrieren, was einen eher unerwünschten Gletscher-Crunch zur Folge hat.

Ein Genuss ist diese Standard-Variante des Eiskaffees nicht wirklich. Dabei gehört nicht viel dazu, einen Eiskaffee zur Delikatesse zu machen, zu einer zartschmelzenden, erfrischenden Aromabombe. Dazu braucht es natürlich erst einmal gute Zutaten, an Gerätschaften nur einen haushaltsüblichen Mixer: Zunächst einen guten, starken Kaffee brauen, am besten einen Ristretto, den man leicht kühlen sollte. In der Zwischenzeit Sahne schlagen und zusammen mit Kaffee und Vanilleeis cremig verrühren, wobei ein Mixer gute Dienste leistet. Ab ins Glas damit und mit etwas Schlagsahne und eine Mandelhippe dekorieren. Das Ergebnis nennt sich „gerührter“ Eiskaffee, wobei mir auch die Bezeichnung „Berliner Eiskaffee“ untergekommen ist.

Im berühmten Café Tomaselli in Salzburg, dem ältesten Kaffeehaus Österreichs, servieren sie auch einen „festen“ Eiskaffee. Das ist freilich nichts anderes als eine riesige Portion Mokka-Eiscreme mit Schlagobers aus eigener Produktion. Das mag man für Etikettenschwindel halten. Doch das Konditoreneis von Tomaselli ist einsame Spitze, was man von den dort den touristischen Heerschaaren verabreichten Mehlspeisen nicht immer sagen kann. Trotzdem hat die große, österreichische Kaffeehaus-Traditon hier wie auf der anderen Salzachseite im Café Basar, noch einigermaßen unbeschadet die Zeitläufte überlebt.

Nicht überlebt hat ein unscheinbares Instrument, ohne dass ein Eiskaffee herkömmlicher Machart (nicht der gerührte) undenkbar ist: der Trinkhalm. Seit die EU die Nuckelhilfe aus Plastik verboten hat, gibt es allerlei angeblich ökologischere Varianten, die jedoch allesamt an die Zweckmäßigkeit der Plastikausführung nicht heranreichen. Vor allem wieder verwertbare Trinkröhrchen aus Silikon, Metall oder Glas bergen hygienische Probleme oder sogar Verletzungsgefahren. Nicht wirklich überzeugen können auch Trinkhalme aus Papier oder Pastateig, die einen Eiskaffee zum Fastfood werden lassen. Und die Urform aus nach Wunsch bio-zertifiziertem Roggen neigt zum Splittern und lässt den nuckelnden Genießer, wie die Süddeutsche Zeitung bemerkte, zum Wiederkäuer mutieren. Zum Glück gibt es Plastikstrohalme, mit und ohne Knick, noch zuhauf im Internet. Man sollte sich noch schnell einen Vorrat zulegen, bis die EU auch den Eiskaffee verbietet.

Foto: Pixabay

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