Fast hätte man ihn nicht erkannt ohne seine weiße Uniform, den Schuhbeck Alfons, den bundesweit bekannten „Starkoch“, der seit dieser Woche in München vor Gericht steht. Steuerhinterziehung in großem Stil wirft man ihm vor und das ist kein Kavaliersdelikt. Blass sah er aus, wie er vor einer Strafkammer des Landgerichts München I erschien, mit eingefallenem Gesicht, beinahe greisenhaft. Von dem leutseligen Schwadroneur, dem umtriebigen Geschäftsmann, dem charmanten Entertainer ist wenig übriggeblieben. Ein Bild des Jammers.
Um rund zwei Millionen Euro soll er die Staatskasse geprellt haben, indem er etwa mit Hilfe einer speziellen Software in einem seiner Restaurants bar bezahlte Rechnungen unter den Tisch fallen ließ und so am Fiskus vorbeischleuste. Sollte er schuldig gesprochen werden, droht ihm eine Haftstrafe. Der Prozess wird sich mindestens bis Dezember hinziehen, der Medienrummel ist enorm. Das Verfahren gegen Schuhbeck läuft unter dem Kennwort „Ingwer“, nach einer von dem Koch gerne benutzten Zutat, mit der er die deftige bayerische Küche, frei nach dem Motto „Laptop und Lederhose“, modernisierte, internationalisierte und propagierte. Das ist sein bleibendes Verdienst. Ein bisserl Humor muss schon sein, haben sich die Richter und Staatsanwälte dabei wohl gedacht – schließlich ist man in Bayern, wo leben und leben lassen angeblich zur Staaträson gehört.
Schubeck ist ein bayerisches Original, ein Workaholic, ein „Gschaftlhuber“, wie er im Buche steht, ein Mann mit großer Klappe, ein bisschen schlitzohrig, ein bisschen halbseiden und ein bisschen Macho. Er hat drei oder vier Kinder, ist aber offenbar unverheiratet – Genaues weiß man nicht. Er wurde schon einmal wegen Steuerhinterziehung verurteilt, gilt mittlerweile aber wieder als unbescholten. Und er hat schon mehrere Insolvenzen hingelegt und sich immer wieder aufgerappelt, ein Stehaufmännchen. Zuletzt kollabierte sein gastronomisches Imperium, das er sich in den vergangenen Jahren am Platzl, dem touristischen Herzen Münchens mit dem berühmten Hofbräuhaus, zusammengekauft hatte. Er soll Schulden in vielfacher Millionenhöhe haben. Aber auch Gönner, immer noch. Kurz nach der Insolvenz wurde bekannt, dass eine Investorengruppe eingesprungen sei, die einen Teil seiner Aktivitäten weiterführen wolle.
Kein Billigfleisch in die Pfanne
Schuhbeck ist ein Verfechter der eher deftigen, süddeutschen Fleisch- und Mehlspeisenküche. Von fleischloser Ernährung hält er nichts. Warum, fragte er einmal in einem Zeitungsinterview, seien Vegetarier eigentlich so aggressiv gegenüber Fleischessern? Und er stellte selbst die These in den Raum, ob vielleicht nur Fleisch zu der, wie er sagte, „gelassenen Haltung des leben und leben lassen“ führe. Dabei kommt bei ihm, wohlgemerkt, kein Billigfleisch in die Pfanne. „Wir Köche“, sagte er, „engagieren uns seit Jahren für Produkte aus ökologisch korrekter Landwirtschaft und Viehzucht, also für artgerechte Tierhaltung und natürlichen Ackerbau ohne Chemie und Genmanipulation“. Denn die seien nun mal grundsätzlich geschmackvoller und gesünder – aber leider auch teurer. Genuss steht für Schuhbeck noch an erster Stelle, nicht Ideologie.
Von Schuhbecks Sorte gibt es immer weniger im mittlerweile prächtig durchgrünten und durchgegenderten Bayernland. So gut es geht, trotzt er dem Zeitgeist, wenn er seine Sprüche klopft. Sprüche wie diesen: „Es gibt nix Besseres als was Guats“ oder „Es werden die übrig bleiben, die ein Haus mit Fundament und Keller gebaut haben und nicht irgendeinen Wolkenkratzer, der beim ersten Sturm zu wackeln anfängt.“ Sein Sturm erprobtes „Haus“, das sind die Evergreens der bayerischen Küche, zum Teil neu interpretiert: Obazda, Wurstsalat, Griesnockerlsuppe, Schweins-Krustenbraten, Rahmschwammerl, Kaiserschmarren. Oder Schuhbecksche Eigenkreationen wie seine „Gebackenen Weißwurstradeln auf Linsensalat“ oder sein berühmter „Geeister Kaiserschmarren“.
Wie viele seiner Zunft verehrt Schuhbeck den Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann, in dessen Küche im legendären Münchner Sternerestaurant „Aubergine“ er als junger Mann gekocht hat. Mit ihm, Witzigmann, seien die Köche „aus ihrer Ecke herausgekommen“. Und plötzlich, seien auch die Produkte wichtig gewesen. „Das Ganze hatte dann einen Namen“, so Schuhbeck, „nämlich Nouvelle Cuisine – ein Begriff, den viele bis heute nicht verstanden haben“. Doch das bedeutet eigentlich nur, das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt frisch auf den Teller zu bringen, ganz normal – so, wie man das ja früher auch gemacht habe.
Hotspot für anspruchsvolle Gourmets
Das Bekenntnis eines bodenständigen Mannes zum eigentlich Selbstverständlichen, zur guten handwerklichen Praxis, zur Tradition, wobei man bodenständig nicht mit provinziell verwechseln sollte. Dazu ist der Mann zu viel herumgekommen in der Welt, etwa bei der Suche nach Gewürzen, seiner großen Leidenschaft, aus der er, natürlich, wieder ein Geschäft gemacht hat. Eine seiner Gewürzkreationen wird – Frauenrechtlerinnen bitte wegschauen! – als „Sex-Gewürz“ vermarktet.
Wer ist eigentlich dieser Alfons Schuhbeck, der ursprünglich nicht Schuhbeck hieß, sondern 1949 als Alfons Karg im oberbayerischen Traunstein zur Welt kam? Er verließ schon früh sein Elternhaus, absolvierte zunächst eine Lehre als Fernmeldetechniker und leistete seinen Wehrdienst angeblich in einer Bundeswehrküche ab. Als er als Mitglied einer Rockband in dem Kurort Waging am See im Chiemgau auftrat, soll er, so die Mär, den ortsansässigen Koch und Inhaber des „Kurhausstüberls“, Sebastian Schuhbeck, kennengelernt haben.
Der überredete ihn zu einer Kochausbildung, adoptierte ihn und machte ihn zum Leiter und schließlich Erben des Restaurants, das unter seiner Leitung zum Hotspot für anspruchsvolle Gourmets und allerlei Prominenz aus dem nahen Salzburg und München wurde. Schuhbeck stand schon bald im Ruf eines „Prominentenkochs“. Dabei kam ihm sein leutseliger und volksverbundener Charakter zupass, andererseits hieß es zuweilen, er führe in seiner Küche ein allzu strenges Regiment.
„Weltoffene Bayerische Küche“
Irgendwann wurde ihm Waging zu eng und er übersiedelte nach München, dem damaligen Mekka des neuen, deutschen Küchenwunders. Ende der Neunziger Jahre gründete er dortselbst das Unternehmen „Schuhbecks am Platzl GmbH“, das sich sukzessive zu einem kleinen Imperium in Bestlage mitten in München entwickelte – mit Weinbistro, Partyservice, einer Kochschule, einem Gewürzladen, einem Teeladen, einem Schokoladengeschäft und einer Eisdiele. Überall stand Schuhbeck drauf, doch es war wenig Schuhbeck drin. Später übernahm er noch das Traditionsrestaurant „Orlando“, ebenfalls am Platzl, sowie das einst für seine Hummergerichte bekannte Prominentenlokal „Boettners“. Nicht zu vergessen das Event-Zelt „Teatro“, in dem die Kulinarik-Shows einstweilen weiterlaufen, wenn auch ohne den Patron.
Herzstück von Schuhbecks kulinarischem Reich war das 2003 eröffnete Gourmetrestaurant „Schuhbecks in den Südtiroler Stuben“, das bis 2017 ein Michelin-Stern zierte. Dort zelebriert er mit wechselnden Küchenchefs seine „Weltoffene Bayerische Küche“ mit mediterranem Einschlag. Schuhbecks Prominenz wuchs, als er begann, den FC Bayern bei Auswärtsspielen der Champions und Europa League zu bekochen. Bundesweit bekannt wurde er mit seinen zahlreichen Kochbüchern und natürlich seinen Auftritten in diversen Kochshows.
Der Fernsehkoch Schuhbeck ist ein eigenes Kapitel. Man kann diesen inflationären Formaten in den Programmen der Öffentlich-Rechtlichen und der Privatsender wie „Küchenschlacht“, „Kitchen impossible“, „Lanz kocht“ oder „Das perfekte Dinner“ mit einigem Recht kritisch gegenüberstehen, weil sie sicher nicht dazu angetan sind, die deutsche Kochkultur hochzuhalten oder das, was in Fastfoodzeiten davon übrig geblieben ist. Im Zweifel sind es eben doch nur günstig zu produzierende Unterhaltungssendungen ohne jeden Bildungsanspruch, nach deren Ende hungrig gewordene Zuschauer die notorische Pizza aus der Tiefkühle holen oder den Bringservice aktivieren.
Doch Schuhbeck ist anders, er ist, wie man heute zu sagen pflegt, authentisch, er gibt Tipps, die man wirklich gebrauchen kann und er ist ein guter Entertainer. Neben Schlaftabletten wie Johann Lafer, dem prolligen Tim Mälzer, dem reißerischen Steffen Henssler oder dem quasseligen Einwanderer-Aushängeschild Ali Güngörmüs stellt Schuhbeck mit seinem zuweilen etwas derben bayerischen Charme eine echte Bereicherung der Fernsehlandschaft dar, die er seit den Neunziger Jahren beackert. Vor allem seine Kochsendungen im Bayerischen Fernsehen, wo er zusammen mit Prominenten wie dem Schauspieler Elmar Wepper oder der Kabarettistin Monika Gruber aufkochte, waren sympathisch anzusehen und kamen ohne Effekthascherei aus. Kein Vergleich zu Monster-Shows wie „Grill den Henssler“ auf VOX, wo banale Köche in den Rang von Popstars erhoben werden.
Es wäre ein Verlust, wenn Alfons Schuhbeck jetzt, geschäftlich ruiniert und stigmatisiert, vielleicht für alle Zeiten von der Bildfläche verschwinden und seinen tätowierten Krawall-Kollegen das Feld räumen müsste, die gerade dabei sind, das von ihm maßgeblich mitgetragene deutsche Küchenwunder rückabzuwickeln. Schon wird besondere Strenge eingefordert: Prominenten dürfe keine Sonderbehandlung zuteil werden. Das mag zutreffen, doch ohne Originale wie Schuhbeck wäre die Welt wieder ein ganzes Stück ärmer. Gerade in Zeiten wie diesen, wo alles, was nicht dem Mainstream entspricht, gnadenlos niedergemacht wird.
Hoffen wir, dass er, wenn man ihn ließe, vielleicht eine Gefängnisküche auf Vordermann bringt und irgendwann wieder in seiner weißen Uniform vor seinem Publikum steht, um vielleicht einem Saiblingsfilet mit „Lorbeerbladl, Ingwer, Zitronenschale und Zimtstangerl“, Schuhbecks bevorzugten Aromaten, den besonderen Pfiff zu verleihen.
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