Zigeunerschnitzel beim Italiener

von | Jan 4, 2023 | Aktion | 6 Kommentare

„Frohes neues Jahr, möge es Gelassenheit, Glück und Frieden für alle bringen“, steht aktuell auf der Homepage des „Ristorante „Sapori D’Italia“ im Kiedricher Schützenhaus. Den Wünschen kann man sich nur anschließen!

Vor allem die Gelassenheit, die so viele Dinge im entspannten Gleichgewicht halten kann und die im bewundernswerten „dolce vita“ unserer italienischen Nachbarn eine zentrale Rolle spielt, würde vielen deutschen Zeitgenossen gut zu Gesichte stehen. Vielleicht hat das kleine Ristorante, das mitten im Wald unweit der Burgruine Scharfenstein liegt, deshalb in multikultureller Eintracht mit Saltimbocca alla Romana und Scaloppina al Marsala und der teuflisch guten Pizza Diavola ein Zigeunerschnitzel mit klassischer Soße aus Paprika und Zwiebeln auf der Karte, natürlich serviert mit Salat und Pommes. Eine in der deutschen Gastronomie fast ausgestorbene Schnitzel-Variante, zumindest was die Bezeichnung „Zigeunerschnitzel“ betrifft.

Denn der Zentraltrat der Deutschen Sinti und Roma empfindet den Begriff als diskriminierend und erwartet, dass deutsche Gastronomen, ebenso die Lebensmittelindustrie, die Zigeuner-Sauce herstellte, umgehend auf die Bezeichnung verzichtet. Und natürlich tun wir das, sofort, gründlich und widerstandlos. Nur gut, dass die stolzen Hamburger noch nicht mitbekommen haben, dass nach ihnen ein mehr oder weniger essbares Weichbrötchen mit meist trockener Frikadelle benannt ist. Oder die Frankfurter, die als Würstchen im heißen Wasser sieden. Ganz zu schweigen von den ohnehin gebeutelten Bauern, die als Omelette den hungrigen Mäulern serviert werden.

Essen ist eine einzige Diskriminierung, vielleicht liegt hier der Schlüssel zu einer erfolgreichen Diät. Alles was in der neuen guten Welt keinen guten Klang mehr hat und diskriminierend ist, wird ab sofort von der Speisenkarte gestrichen. Übrigens auch Curry, wie unlängst eine indische Bloggerin verlangte, da der Begriff, den die Engländer eingeführt haben, die Gewürz-Vielfalt ihres Volkes diskriminiere. Das verstehen wir gut und essen ab sofort keinen Curry mehr. Aber wer sagt es den Italienern im Kiedricher Wald? Eine der letzten Bastionen des Zigeunerschnitzels, tapfer verteidigt von liebenswerten Gastronomen aus dem Land der Tomaten. Wer sich also ins Schützenhaus aufmacht, sollte ruhig das Zigeunerschnitzel bestellten. Schon aus Solidarität mit einem EU-Land, von dem wir auch kulinarisch lernen können, was Gelassenheit ist.

Ristorante Pizzeria „Sapori D‘Italia”
Waldstraße 22a
65399 Kiedrich
Tel. 06123-5710

https://www.schuetzenhausristorantesaporiditalia.de/

Foto: Pixabay

6 Kommentare

  1. Darauf einen Negerkuss, genüsslich auf dem heimischen Sofa…..im Fernsehen läuft der aus der Kindheit beliebte Winnetou Film 🙂

    Antworten
  2. Wenn die Fotos der Speisen nicht so grottenschlecht wären, könnte ich mich dafür begeistern. »Handy«-Fotos ohne Lichtgestaltung, das ist schlimmer als schlechtes Essen.

    Antworten
  3. … vielleicht mal nachfragen, warum denn der Zentraltrat der Deutschen Sinti und Roma den Begriff “Zigeuner” als diskriminierend empfindet! Das ist nämlich nicht nur eine Empfindung … der Begriff IST diskriminierend. Ca. 500.000 Roma und Sinti wurden von den Nazis ermordet … eben weil sie Roma und Sinti waren und von den Nazis als “Zigeuner” verfolgt und z.B. in Auschwitz im sog. “Zigeunerlager”eingesperrt und ermordet wurden. Das ist also schon eine andere Nummer als “Hamburger” oder “Frankfurter”

    Antworten
    • Den Artikel, auf den Sie sich beziehen, habe ich dem Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma per Mail geschickt, ohne Reaktion. Vielleicht auch mal nachfragen, dass es “Sinti und Roma” gibt, die sich selbst als Zigeuner bezeichnen.

      Die Verbrechen des Nationalsozialismus sind allerdings untauglich, um daraus eine Diskriminierung zu konstruieren. Die haben auch Juden, Kommunisten und Homosexuelle ermordet, und es wäre mir neu, dass diese Bezeichnungen heute als diskriminierend gelten.

      Antworten
      • “Zigeuner” ist sehr wohl diskriminierend. Damit wurden seit dem Mittelalter Angehörige des “Fahrenden Volks” und andere Nichtseßhafte Menschen bezeichnet. Er bedeutet soviel wie “(umher)ziehende Gauner”.

        Antworten
        • Herzlichen Dank für Ihren Kommentar.
          Es ist Ihnen selbstverständlich frei überlassen, was Sie als diskriminierend für sich reklamieren, und was nicht. Die Volksetymologische Deutung des Wortes Zigeuner als “umherziehende Gauner” mag phonetisch schlüssig sein, ist aber sprachwissenschaftlicher Unsinn.

          Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert