Der große Senf-Test bei aufgegessen.info

von | Jan 26, 2024 | Aktion, Aufmacher | 0 Kommentare

Es soll Menschen geben, die über offenem Feuer verbranntes Fett und Fleisch für eine Delikatesse halten. Und die ihrer Leidenschaft zunehmend auch im Winter frönen. Im Internet sieht man schon – meist männliche – Feuerteufel mit Pelzmütze vor verschneiter Kulisse mit Grillzange am Holzkohlengrill hantieren und das zelebrieren, was in den Medien als „Neue Lust am Wintergrillen“ gehypt wird.

Das Phänomen führt dazu, dass jene, die sich seit jeher über solch atavistische Steinzeit-Anwandlungen wundern, jetzt auch außerhalb der sommerlichen „Grillsaison“ von fettigen Rauschwaden belästigt werden. Gibt es mittlerweile nicht komfortable Kochherde, mit denen man Fleischstücke jeder Größe und Provenienz auf sanfte und kulinarische Weise zubereiten kann?

Aber der ewige Konflikt zwischen Grill-Hassern und Grill-Fans soll an dieser Stelle nicht entschieden werden. Denn es gibt wahre BBQ-Meister, die über Fertigkeiten verfügen, um ein saftiges Entrecôte oder Porterhousesteak ohne die Errungenschaften moderner Technik auf den Punkt zu garen. Versehen mit einem dezentem und sehr delikaten Raucharoma, wie es dann doch nur ein offenes Feuer zu erzeugen imstande ist.

Ansonsten werden schlechte Fleischqualitäten und misslungene Zubereitung in der Regel mit jenen Würzsoßen aus Tube oder Plastikflasche kaschiert, die in den Supermärkten meterweise die Regale füllen und ihren Geschmack meist den Errungenschaften der Lebensmittelindustrie verdanken, synthetisches Raucharoma eingeschlossen. Da fehlt nur noch der fettige Nudelsalat, um die kulinarische Katastrophe perfekt zu machen.

Dabei gibt es eine Würzsoße bzw. ein Würzmittel, das meist noch recht unverfälscht daherkommt: Senf. Wenn man guten Senf im Kühlschrank hat, kann man leicht auf Ketchup und Grillsaucen verzichten. In Frankreich beispielsweise essen wahre Kenner zu ihrem Entrecôte de Charolais nur würzig scharfen Senf, der nach der burgundischen Hauptstadt Dijon benannt ist. Dennoch handelt es sich bei Dijon-Senf um keine Herkunftsbezeichung, sondern um ein Rezept. Dijon-Senf besteht ausschließlich aus geschälten braunen, nicht entölten Senfkörnern, was den Senf auch zum Kochen tauglich macht. Statt mit Essig, wird der scharfe Senf auch mit Verjus hergestellt. Grobkörniger Dijon-Senf ist nur eine Variante des Angebotes, beliebt ist auch der Dijon-Senf mit Estragon.

Wir haben Senfsorten unterschiedlichster Anbieter für Sie getestet. Feine, scharfe Senfzubereitungen, grobkörnige und süße, jedoch keine aromatisierten Senfzubereitungen. Scharfer Senf isst sich am besten zu eher herzhaften Genüssen wie Bratwürsten und Frikadellen, milder, grobkörniger zu bestem Fleisch, und der „Süße“ begleitet traditionell Fleischkäse und gekochten Würste, vor allem Münchner Weißwürste. Ob vor oder nach dem „Zwölfeläuten“, lassen wir mal dahingestellt.

Käfer „Bio Wiesn Senf“

Der süße Premiumsenf aus dem Hause des Münchner Feinkosthändlers Käfer wird in Minigläsern mit elegantem bayerischen Rautenmuster verkauft, was offenbar den ambitionierten Preis kaschieren soll. Was den Geschmack anbelangt, scheint dieser durchaus gerechtfertigt, selbst wenn man die Bio-Qualität gar nicht in Betracht zieht. Schon der Geruch ist frisch und unaufdringlich, das Aroma komplex und ausgewogen. Die Zutatenliste  erfreulich klein und ohne minderwertige Ersatzstoffe wie Rübenmelasse: Wasser, Zucker, Senfsaaten, Branntweinessig, (offenbar echter) Karamell, Meersalz, Gewürze und Kräuter. Diesen Senf könnte man problemlos und mit Genuss direkt aus dem Glas löffeln, wie ein gutes Chutney. Fast zu schade für die Wiesn.

Note 1

www.feinkost-kaefer.de

Edmond Fallot „Moutarde de Dijon“

Wie alles, was gut und besser ist, gibt es den Senf aus der historischen „Moutarderie Fallot“ nicht an jeder Ecke, nicht im Supermarkt, und schon gar nicht im Discounter. Man findet ihn im gut sortierten Feinkostgeschäft, oder muss ihn sich von einem Gourmet-Versand schicken lassen. Ist man dann endlich im Besitz eines Glases, öffnet sich die ganze Aromatik eines intensiv scharfen Senfs, dessen vollmundige Aromatik in eine sehr feine Cremigkeit eingebettet ist. Aber Achtung! Eine gute Messerspitze genügt, um damit Saucen und Vinaigrettes zu verfeinern, oder Fleisch, Wurst, aber auch gegrilltem Fisch eine würzige, und vollmundige Schärfe zu verleihen. Produziert wird Fallot Senf seit 1840 in der letzten noch familiär betriebenen Senf-Manufaktur in Beaune im Burgund nach der traditionellen Methode der kalten Nassvermahlung mit Mühlsteinen. Die verarbeiteten Senfkörner stammen sämtlich aus Burgund, Fallot Senf ist ein echtes regionales Produkt. Aus dem vielseitigen Sortiment, es gibt auch Senf mit Honig, Nüssen und Estragon, haben wir den scharfen Klassiker „Moutarde de Dijon“ probiert.

Note 1

www.fallot.com/

Delouis fils „Moutarde à LAncienne“

Wie die Senfspezialitäten von Edmond Fallot aus Beaune gibt es diesen Senf nur in gut sortierten Feinkost- oder Käsegeschäften und übers Internet. Ein grobkörniger, französischer Senf „comme il faut“. Bissig in der Körnung, dabei aber nicht trocken, mit starker Essignote und markanter, aber nicht aufdringlicher Schärfe und ohne jeden Anflug von Süße. Ein puristisches Produkt, hergestellt aus nur vier Zutaten: Branntweinessig, Senfkörner, Wasser und Salz. Mehr braucht es auch nicht, wenn man gebratenem oder gekochtem Fleisch eine pikante Note geben will. Der Senfspezialist aus Champsac hat auch verschiedene grobe und feine Varianten im Angebot, darunter eine mit Champagner oder, ebenfalls ein Klassiker, mit Estragon verfeinerte. Das Haus Delouis findet sich im Naturpark Perigord-Limousin etwa auf halber Strecke zwischen Clermont Ferrant und der Atlantikküste südlich von La Rochelle. Allemal eine Reise wert.

Note 1

www.delouis.com

Kania Delikatess-Senf mittelscharf (Lidl)

Habe ich mich verhört? Hat die junge Kassiererin wirklich „45 Cent“ aufgerufen, als sie mein Glas Senf über den Scanner zog? Nicht 4, 50 Euro? Nein, der Dumpingpreis stimmt. Und dafür gibts ein stattliches 250 Milliliter-Glas der Lidl-Eigenmarke Kania. Die Zutatenliste verheißt nur Natürliches: Wasser, Senf, Essig, Salz, Zucker, Gewürze. Letztere sollen von dem bekannten Markengewürzproduzenten Ostmann stammen. Keine Aromen, keine Geschmacksverstärker. Das ist schon mal erfreulich für ein angeblich „minderwertiges“ Discountprodukt. Erfreulich ist auch der Geschmack, rund, weich, cremig, das Senfaroma ausbalanciert ohne Spitzen, gut eingebundene Süße, keine unangenehme Bitternoten. Kann man fast pur aus dem Glas löffeln. Wie heißt nochmal der Lidl-Werbespruch?

Note 2 plus

www.lidl.com

Löwensenf

Bekannt wie der sprichwörtlich bunte Hund ist der Senf mit dem Löwenkopf. Ein Senfklassiker, der 1903 von Otto und Frieda Frenzel im lothringischen Metz aus der Taufe gehoben wurde. Als Metz nach dem 1. Weltkrieg wieder französisch wird, verlegt man den Firmensitz nach Düsseldorf, damals die führende Senfstadt in Deutschland. Bis heute wird der extra scharfe Löwensenf, der im Glas und in der Tube angeboten wird, aus frisch gemahlener brauner Senfsaat, Branntweinessig, Trinkwasser und Salz nach dem Dijon-Verfahren hergestellt. Alles natürlich ohne Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker. Besonders markant ist die feine, aber pikante Schärfe des Löwensenfs, die sehr konzentriert und gebündelt die primärwürzige Aromatik geschmacklich darstellt. In normalen, eher homöopathischen Portionen eingesetzt, bekommt der extra scharfe Senf als Begleitung von Wurst und Fleisch eine geschmacklich vollmundige und dynamische Rolle. Wer es gerne etwas weniger scharf mag, ist mit der cremigen Variante „medium“ gut beraten, die aus brauner und gelber Senfsaat hergestellt wird. Allerdings stecken in diesem Senf auf 100ml rund 4,5 Gramm Zucker.

Note 2 plus

www.loewensenf.de

Maille „L‘Originale“

Das Unternehmen, das bereits 1747 gegründet wurde und mehrfach den Eigentümer wechselte, zu denen auch Baron Philip de Rothschild gehörte, ist heute eine Marke von Unilever. Der Senf mit dem auffällig schwarzen Etikett ist, zumindest in der Standardversion „L’Originale“ mittlerweile in jedem Supermarkt zu bekommen. Neben Senfkörnern, Wasser, Branntweinessig, Zitronensäure und Salz steht auch der Konservierungsstoff Kaliummetabisulfit auf der Zutatenliste. Der Senf, der sich bestens zur Verfeinerung von Saucen und Vinaigrettes eignet, hat einen würzigen Senfgeschmack, der von einer delikaten, markanten aber nicht aufdringlichen Schärfe getragen wird. Ein relativ gut ausgewogener und vollmundiger Senf, den es in verschiedenen Geschmacksvarianten gibt. Dazu gehört auch der grobkörnige, leicht säuerliche Senf „à l’Ancienne“, der aus 47 Prozent Branntwein besteht und mit rund 5 Prozent Weißwein verfeinert ist.

Note 2

www.maille.com

Thomy „Tafelsenf“

Der Senf, der seit 1907 produziert wird und der erste industriell hergestellte Tafelsenf auf dem Schweizer Markt war, ist eines der bekanntesten Produkte der Marke Thomy, die heute zum Lebensmittelkonzern Nestlé gehört. Seit 1934 wird der Senf auch in Tuben verkauft, doch erst 1954 erschien Thomy auf dem deutschen Markt. Wir probierten den scharfen Senf, der laut Etikett aus frisch vermahlenen Zutaten hergestellt wird. In der Zutatenliste ist neben Senfkörnern, Branntweinessig, Wasser, Gewürze, Jodsalz und Zucker auch Weinsäure als Säuerungsmittel aufgeführt. Geschmacklich überzeugt der Senf mit einer typischen Senf-Aromatik, die am Gaumen nicht zu dominant, aber dennoch präsent und vollmundig ist. Die Schärfe zieht sofort an, wirkt im ersten Moment einen kleinen Tick zu beißend, lässt aber relativ schnell nach und rundet den Senfgeschmack am Ende relativ mild ab. Ein guter Allrounder, der auch als Verfeinerung für Saucen geeignet ist.

Note 2 minus

https://www.thomy.de/produkte/thomy-scharfer-senf-250ml-glas/

Dallmayr „Senf mittelscharf“

Das Münchner Feinkosthaus Dallmayr führt fast nur noch Eigenprodukte. Welcher Hersteller sich hinter dem Namen des Traditionshauses jeweils verbirgt, ist nicht ersichtlich – was zählt ist das Markenversprechen. Im Falle von Dallmayrs „Senf mittelscharf“ wird man etwas enttäuscht. Das Produkt besitzt zwar eine schöne Cremigkeit und einen intensiven Senfgeschmack; allzu intensive Schärfe wird durch den auf dem Deckeletikett ausgewiesenen Farinzucker abgepuffert. Die unangenehme Bitternote im Abgang mindert allerdings den Gesamteindruck. Die für diesen Senf verwendeten Senfsaaten sind laut Dallmayr ausschließlich bayerischer Herkunft. Das freut zumindest den Lokalpatrioten.

Note 3 plus

www.dallmayr.com

Händlmaier „Bayerisch süßer Hausmachersenf“

Bei der Bezeichnung „hausgemacht“ wollen wir großzügig sein, denn unter den Herstellern von süßem Senf dürfte die Firma Händlmaier aus Regensburg Marktführer sein. Zumindest in Süddeutschland findet man die charakteristischen Gläser und Plastikflaschen mit den knallroten Etiketten bei fast jedem Metzger. Die etwas schleimige Textur muss man mögen; der Geruch beim Öffnen des Glases ist etwas scharf, die Farbe sattbraun, was von der enthaltenen Zuckerrübenmelasse herrührt. Dieses billige Nebenprodukt der Zuckerproduktion ist auf der Zutatenliste zusammen mit Zucker und Glukosesirup als „brauner Zucker“ ausgewiesen, ein Hinweis auf industrielle Herstellungsmethoden. Im Geschmack etwas unausgewogen, vor allem im Abgang zu Essig lastig. Viel falsch machen kann man mit Händlmaier-Senf zwar nicht, er ist und bleibt ein Klassiker. Aber eben doch ein Massenprodukt.

Note 3

www.haendlmaier.de

Foto. Pixabay

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