Weinauktionator im Interview: Bier statt Bordeaux

von | Feb 2, 2024 | Aufmacher | 0 Kommentare

Mit der Munich Wine Company leitet der Sommelier und Auktionator Stefan Sedlmeyr zusammen mit seinem Geschäftspartner Hans Friedrich in München-Oberhaching eines der bedeutendsten Wein-Versteigerungshäuser Europas. Im Interview spricht er über die Folgen der Corona-Pandemie, chinesische Vorlieben und die größten Fehler bei der Weinlagerung.

Aufgegessen.info: Wenn man einen Ihrer jüngsten Versteigerungskataloge durchblättert, schlackert man kräftig mit den Ohren. Mit ganz oben ein La Romanée Conti Grand cru von der Domäne de la Romanée Conti, Jahrgang 2004, mit einem Schätzpreis zwischen 12 900 und 19 990 Euro. Wer trinkt so etwas?

Sedlmeyr: Ein Ölscheich bestimmt nicht! Aber Spaß beiseite. Solche Flaschen oder Originalholzkisten von Highend-Gewächsen sind in erster Linie Anlageobjekte oder etwas für Händler. Dabei muss man wissen, dass die Preise in dieser Kategorie in den letzten Jahren stetig gestiegen sind.

Aufgegessen.info: Wohin gehen diese Flaschen?

Sedlmeyr: In alle Welt, wobei die USA und China nach wie vor die wichtigsten Märkte für hochpreisige Edelgewächse sind. In China dienen die entsprechenden Flaschen oder Kisten nicht selten als Geschenke zur Geschäftsanbahnung. Deshalb legen Chinesen größten Wert darauf, dass die Optik makellos ist, also die Etiketten und Kapseln nicht verschmutzt oder beschädigt sind.

Aufgegessen.info: Was sind Ihre wichtigsten Bezugsquellen?

Sedlmeyr: Privatpersonen, Gastronomie, Hotellerie, auch das eine oder andere Weingut. Es ist in Mitteleuropa durchaus keine Seltenheit, das Privatpersonen Weinkeller mit 3000 bis 10 000 Flaschen besitzen. Wenn ein Weinsammler feststellt, dass er mit Blick auf das eigene Lebensalter diesen Schatz nie und nimmer wird trinken können, stehen wir bereit.  

Aufgegessen.info: Ist Sammeln von Wein Männersache?

Sedlmeyr: Ich würde sagen, das Verhältnis steht bei 50 zu eins zugunsten der Männer. Warum das so ist, weiß ich nicht, das ist ein Rätsel, auf das mir noch niemand eine Antwort gegeben hat.

Aufgegessen.info: Sie kennen unzählige Weinkeller. Worin sehen Sie die größten Fehler bei der Weinlagerung?

Sedlmeyr: Ein Hauptfehler ist, dass Leute, die ihre Weine trinken wollen, junge Gewächse einkaufen und dann in einem viel zu kalten Keller aufbewahren. Wenn man schon über Sechzig ist, wird man einen subskribierten Latour z.B. aus 2009 aus einem Keller mit sechs bis acht Grad Raumtemperatur mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr in einer schönen Reife genießen können, weil sich die Weine extrem langsam entwickeln. Es gibt aber auch Fälle, wo der Keller viel zu warm ist oder, was noch häufiger vorkommt, viel zu trocken. Sie können in einem modernen Betonkeller keine Weine lagern, ohne in Kühlung und Befeuchtung zu investieren. Die Weine sind alle nach fünf Jahren hin, weil die Korken schnell leiden und die Flaschen anfangen zu nässen. Wenn Sie Wein in erster Linie als Investment betrachten, sind auch alle Keller mit einem gestampften Erdboden tödlich, weil die Etiketten spätestens nach zehn Jahren zu schimmeln beginnen. Reine Wertvernichtung.

Aufgegessen.info: Wie werden die Weine in Ihrem Haus geprüft? Gibt es so etwas wie eine Gewährleistung für verdorbene Posten?

Sedlmeyr: Wir kontrollieren alle Weine in Bezug auf Farbe, Füllniveau und das Depot. Außerdem holen wir die meisten Weine selbst beim Einlieferer ab und wissen, wie sie gelagert wurden. Doch ein wenig muss sich der Kunde schon informieren. Es sollte jedem klar sein, dass die Chance groß ist, dass beispielsweise ein Premier Cru aus einem kleineren Jahr in den 1940ern jetzt keine Trinkfreude mehr bereitet. Oder dass ein 30 Jahre alter Champagner keine Perlage mehr besitzt. Wobei es da einen Trick gibt: Man muss dem Stillwein nur ein wenig jungen Champagner am besten von der gleichen Marke hinzufügen, dann prickelt er wieder.

Aufgegessen.info: Wie oft kommt es vor, dass ein Flasche doch mal gekippt ist?

Sedlmeyr: Immer mal wieder. Allerdings stellen wir bei acht von zehn Reklamationen fest, dass dem Wein nichts fehlt. Sein Geschmack des Weins liegt dann einfach außerhalb dessen, was der Kunde normalerweise trinkt. Wenn jemand regelmäßig einen Brunello trinkt, der nicht älter als zehn Jahre ist, und dann ersteigert er einen 82er, 83er, 85er oder 76er, alles schöne Jahrgänge, dann schmeckt der Wein natürlich völlig anders. Das sind vollkommen andere Welten. In der einen haben Sie rote Früchte, vielleicht noch etwas Barrique, in einem reifen Wein dagegen Waldboden, Fichte, Egerlinge, bis hin zu sauberem Pferdestall. Das gefällt nicht jedem, da muss man sich reintrinken.

Aufgegessen.info: Was sind die Renner des Sortiments?

Sedlmeyr: Highend Bordeaux, Burgund, Toskana, Piemont und auch Deutschland, hier mit immer größerem Fokus auf trockene Kreszenzen. Früher hätte in Asien oder den USA keiner je daran auch nur genippt.

Aufgegessen.info: Warum hat sich das so spektakulär verändert?

Sedlmeyr: Das ist vor allem eine Folge der vom Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) neu eingeführten Kategorien der Großen Gewächse und Großen Lagen. Die Winzer sind dadurch in die Lage versetzt worden, auch einmal 40 Euro für einen trockenen Riesling zu verlangen, was sie wiederum dazu befähigt noch mehr in Qualität investieren zu können. Das wird zunehmend am Markt honoriert. In unserer aktuellen Auktion haben wir einen G-Max Riesling von Klaus Keller in Rheinhessen, der mit 1 350 Euro angesetzt ist und von der englischen Weinexpertin Jancis Robinson schon als „deutscher Montrachet“ bezeichnet wurde.

Aufgegessen.info: Was war der spektakulärste Kellerfund Ihres Lebens?

Sedlmeyr: Henri Jayer Vosne Romanee 1er Cru Les Brulees 1985, noch mit Originalpreis in Franc auf dem Etikett notiert, glücklicherweise in Bleistift. Einkauf damals in Burgund für weniger als 20 Euro, Zuschlag bei 2 450 Euro – pro Flasche!

Aufgegessen.info: Und noch eine Anekdote aus dem Nähkästchen, bitte!

Sedlmeyr: Wir hatten mal einen Einlieferer aus der Schweiz mit vielen schönen Original-Holzkisten. Als wir zur Kontrolle einen Deckel öffneten, lachte uns kein 2006er Mouton-Rotschild an, sondern eine Batterie Kronenburg-Bierflaschen. Mineralwasser hatten wir auch schon.

Foto: Pixabay

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