Warum ich ausgerechnet im Hotel den unbändigen Wunsch verspüre, ausgiebig zu frühstücken, wird selbst für meinen Therapeuten ein Rätsel bleiben. Vielleicht ist es das Zeitlimit von 6 bis 9 Uhr, das mich magisch anzieht und mich daran erinnert, dass Morgenstund’ Gold im Mund hat. Oder es ist die Aussicht, jenen formschönen Joghurtbechern und Kultgetränken in kleinen Plastikflaschen im Eiskühler zu begegnen, um die ich im Supermarkt immer einen weiten Bogen mache. Vielleicht ist es aber auch die kulinarische Neugier, die mich auch an Wochenenden zu unchristlichen Zeiten in den Saal treibt, in dem der fürsorgliche Gastronom die bunte Welt des morgendlichen Genusses aufgebaut hat. Wir buchten in einem sündhaft teuren Hotel, das gefühlt mehr Sterne hat als die Flagge der USA, die deutlich günstigere Wochenendpauschale. Das Frühstück für 35 Euro all inklusive kam oben drauf. Ein echtes Schnäppchen, wie uns der freundliche Rezeptionist beim einchecken glaubhaft versicherte. Vorsorglich zog er meine Kreditkarte durch den Scanner, ein buchungstechnischer Freifahrtschein, um später das geklaute Handtuch oder die heimlich entwendete Cola aus der Minibar ohne großes Aufsehen abbuchen zu können. Schließlich ist man als Gast herzlich willkommen, wieso soll da nicht ein Blanco-Kreditkartenformular diese Freundschaft besiegeln. Die erste Nacht war kurz, bis wir das System der Lichtanlage mit Stehlampen, Schreibtischlampen, Leselampen und zentralem Flutlicht an der Decke durchschaut hatten, hatte selbst RTL das nächtliche Programm eingestellt. Entsprechend ausgeruht und voller Erwartungen ging es morgens früh in den Frühstückssaal, den offensichtlich ein inspirierter Innenarchitekt im LSD-Rausch gestaltet hatte. Was das kulinarische Angebot und die pekuniäre Gegenleistung anbetraf, hatte der Rezeptionist nicht zu viel versprochen. Allein die Energiekosten, die das Warmhalten des Cafés verschlingen, rechtfertigten allein schon Preis von 35 Euro. Auch die verschiedenfarbigen Teile, die unter dem Sammelbegriff Backwaren zu subsumieren sind, hatten eine katastrophale Ökobilanz und bestärkten uns in der Ansicht, dass so schnell wie möglich eine Energiewende hermuss. Das spärliche Wurstangebot, immerhin mit dem Hinweis „Hausgemacht“ versehen, legte die Vermutung nah, dass es irgendwo in den Weiten der Europäischen Union Irrenhäuser gibt, die sich auf die Produktion von Wurstwaren spezialisiert haben. Vielleicht ein begrüßenswertes Therapieprogramm oder eine förderungswürdige Weiterbildungsmaßnahme? Man ist ja heute vor nichts mehr sicher. Ein unerwartetes Wiedersehen gab es an der Käse-Station, wo die kläglichen Reste der Käseplatte zu bewundern waren, die am Abend zuvor im Gourmet-Restaurant ihre Runde gedreht hatte. Farbliche, leider keine geschmacklichen, Akzente setzt das Rührei, das in seiner Konsistenz an die Schaumstofffüllung eines Ikea-Sofas erinnerte. Dass der schwedische Möbelgigant jetzt auch für die Gastronomie Rühreier anbietet, war uns bis dato unbekannt. Erstaunt waren wir auch darüber, dass es frisch gepressten Orangensaft aus der Tüte gibt und dass Prosecco und Billigsekte großzügig im Preis von 35 Euro inkludiert sind. So möchte man den Tag beginnen: in der Gewissheit, gut gefrühstückt, und gleich am frühen Morgen ein echtes Schnäppchen gemacht zu haben.
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