Erlebnisgastronomie

von | Mrz 17, 2023 | Aufmacher | 1 Kommentar

Während mit dem Begriff „Erlebnisgastronomie“ ursprünglich die konzeptionelle Bespaßung der Gäste im Restaurant gemeint war, hat sich der Spieß umgedreht. Heute können Köche und Service immer öfter ein Lied davon singen, was es heißt den Gast leibhaftig zu erleben und seine Marotten ertragen zu müssen.

Alles fing relativ harmlos an, als sich eine zunächst überschaubare Gästeschar von Fleisches- und Fisches-Lust verabschiedete, um mit dem Verzehr von Gemüse, Salat und Tofu, ursprünglich ein asiatisches Lebensmittel aus weißem Sojabohnenteig, gegen die Massentierhaltung und Überfischung der Meere zu demonstrieren.  

Die Gastronomie reagierte zunächst gelassen. Vegetarische Gerichte, meist aufgepeppte Beilagen und aufgeblasene Salatvariationen ohne Putenbruststreifen, waren schnell und günstig aufzutischen. Doch der geschmackliche Anspruch wuchs mit der Zahl der Gäste, die plötzlich ihre vegetarische Seite entdeckten. Wem das eines Tages nicht mehr ausreichte, der verschrieb sich dem Veganismus und begann, alle Nahrungsmittel tierischen Ursprungs überhaupt zu meiden. Eine echte Herausforderung für jetzt oft überforderten Köche.

Wer in die Königsdisziplin des Veganismus aufzusteigen gedachte, achtete peinlichst genau darauf, dass auch Kleidung und andere Alltagsgegenstände frei von Tierprodukten sind. Während die Unterhaltungsindustrie von diesem Ansinnen nur wenig spürte, tauchten unerwartet Fragen nach veganem Wein auf. Die meisten Winzer waren überrascht. Doch Klärmethoden mit Gelatine, dem Milchprotein Casein oder Hühnereiweiß beinhalten Bestandteile von (toten) Tieren, und deren Verarbeitung widersprechen nun mal dem veganen Gedanken. Doch die Marktwirtschaft regelte die Nachfrage ziemlich schnell, heute können Veganer auch mit Spitzengetränken die Korken knallen lassen.

Weniger Grund zur Freude haben jene Allergiker, deren Verzicht nicht auf Freiwilligkeit beruht, sondern eine Schikane der Natur ist. Erstaunlich ist der sprunghafte Anstieg von Allergien, die sich vor allem in Lebensmittelunverträglichkeiten zeigen und damit die Gastronomie vor ein weiteres Problem stellt. Immer öfter verwandelt sich die ansonsten gewünschte Tisch-Reservierung zur Drohung für die Küchencrew. Gerne essen alle Gäste das große Menü, soweit so gut. Allerdings sollte es komplett Histamin-, Gluten- und Lactosefrei sein, und unbedingt Krustentierallergien und intestinale Fructoseintoleranzen berücksichtigen. Einer der Gäste verträgt keine Gewürze, Salz ist auch in nicht nachweisbaren Spuren völlig ausgeschlossen, und die Jubilarin reagiert allergisch auf Alkohol. Mit Ausnahme von Champagner. Schließlich möchte man ja standesgemäß anstoßen. So tatsächlich in einem Sterne-Restaurant passiert.

Bleibt abzuwarten, wie sich der Trend zu immer mehr Unverträglichkeiten weiterentwickelt und ob demnächst Pharmazeuten, Chemiker und Mediziner am Herd stehen oder jedes Gericht mit einem ellenlangen Beipackzettel serviert wird.

Foto: Pixabay

1 Kommentar

  1. Ja, Gastronom sein ist heutzutage auch nicht mehr einfach. Das Gros der Gäste ist meist von der Rubrik “Ich, Ich, Ich,”.
    Ging man früher noch in ein unbekanntes Restaurant irgendwo auf dieser Welt und hat den Wirt und seine Bedienungen gefragt “Was empfehlen sie mir?” um etwas über die lokale Küche zu erfahren, den eigenen geschmacklichen Horizont zu erweitern und etwas, vorher fremdes, mit in die eigene Küche mit zu nehmen, geht es heute (fast) nur noch um “Egal wo ich bin, ihr bereitet zu was ich kenne und so wie ich es will”. Ich, ich, ich.
    Keine(r) in­te­r­es­siert sich für etwas anderes außer “Ich”.
    Hat für mich alles den Geruch von Fremdenfeindlichkeit – bemäntelt in woke Kostümierung.

    Und was die Horden von Allergiker (Vegetarier, Veganer und als letzte Keule Allergie?) betrifft. Es ist schon etwas befremdlich, daß die Generation meiner Eltern (und auch ein Großteil meiner) das so gut wie gar nicht kannten.

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