Nicht, dass wir uns da missverstehen. Es geht bei der eingangs aufgeworfenen Frage nicht um eine berechtigtermaßen umstrittene historische Person, sondern um einen Restaurant-Führer, politisch korrekt als „Guide“ bezeichnet, und in der Szene unter dem Namen Gault&Millau bekannt.
Gegründet wurde der einflussreiche Guide 1969 in Frankreich von den Journalisten Henri Gault und Christian Millau. Im Gegensatz zum „Guide Michelin“, der bereits im April 1900 zur Weltausstellung in Paris erschien, und dessen vergebene Sterne bis heute als Maß aller Restaurant-Auszeichnungen gelten, bewertet der Gault&Millau nach bis zu 20 Punkten und vergibt Kochmützen, auch Hauben genannt. Dazu wird jede Bewertung in einem mehr oder weniger ausführlichen Text erklärt und begründet.
Die erste deutsche Ausgabe des „Gault&Millau“ erschien 1983 im Münchner Christian Verlag, ab Herbst 2017 übernahm der Münchner ZS Verlag für zwei Jahre die Lizenz des französischen Restaurant-Guide. Ab 2020 publizierte der „Burda Medienkonzern“ in zwei Ausgaben den „Gault&Millau“, bis die Lizenz im Februar 2022 im Rahmen eines Management-Buyouts zur „Henris Edition“ in München wechselte.
Rund ein Jahr später tauchten dunkle Wolken am deutschen Gault&Millau Himmel auf. Wegen angeblicher Geschäftspraktiken, die in „keinster Weise die Standards, die Ethik und die Werte des „Gault&Millau“ widerspiegeln würden“, entzogen die Eigentümer der Marke, eine Holdinggesellschaft russischer Investoren, der „Henris Edition“ die Lizenz. Die Sache ging vor Gericht, die Kündigung wurde 2024 als unbegründet zurückgewiesen und die „Henris Edition“ als rechtmäßiger Lizenznehmer für Deutschland bestätigt. Damit schien der einflussreiche Restaurant-Guide wieder in ruhigeres Fahrwasser zu kommen.
Doch weit gefehlt. Im Mai dieses Jahres gab die „Henris Edition“ überraschend bekannt, dass sie den „Gault&Millau“ nicht mehr herausgeben werde. Stattdessen wandelt man jetzt auf eigenen Pfaden und hat eine online-Plattform ins Leben gerufen, die nach dem Muster der renommierten „Hornstein-Liste“ Bewertungen führender Guides zusammenfasst, und daraus ein eigenes Bewertungssystem ableitet. Ausgezeichnet wird mit sogenannten „Henris Diamonds“, Empfehlungen für Hotels, Wein und kulinarische Reisen sollen das Ganze aufpeppen.
Und was wird aus dem „Gault&Millau“? Dessen Zukunft, zumindest in Deutschland, steht in den Sternen. Und das, während der große Mitbewerber gerade mächtig aufrüstet, und rund um die Sterne-Prämierung in wenigen Tagen in Frankfurt am Main eine ganze Reihe von attraktiven Veranstaltungen unter dem Motto „Sterne über Frankfurt“ anbietet.
Bislang hat sich offenbar kein Verlag gefunden, der dem renommierten „Gault&Millau“ neues Leben einhauchen möchte. Schade, denn gerade die teils amüsanten und unterhaltsamen Texte zu Restaurant und Bewertung haben den Unterschied zum mehr oder weniger textfreien und eher trockenen „Guide Michelin“ ausgemacht, der allein mit der Strahlkraft seiner Sterne glänzt.
Beide zusammen eine glückliche Liaison für die Gourmet-Szene, die auch die meisten deutschen Köche geschätzt haben, und Sterne und Kochmützen gleichermaßen stolz an ihre Türen hefteten. Die beiden Guides als Premium-Marken mit französischem Hintergrund, auffallend rot und gelb im Erscheinungsbild, waren das perfekte Duo an der Spitze aller Restaurant-Guides. Bleibt nur der „Guide Michelin“ übrig, wird der Branche etwas fehlen. Ein großer Name in der Branche, der ausschließlich Restaurants empfahl, die tatsächlich von Testern heimgesucht wurden. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten keine Selbstverständlichkeit, aber ein verlässlicher Restaurant-Führer. Man möchte nicht auf ihn verzichten!
Foto: Pixabay
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