Jubel, Trubel, Heiterkeit. Die Gazetten überschlagen sich gerade in Lobhudelei für einen Koch, der alle Klischees erfüllt, der es nach Meinung gelangweilter Wohlstandsbürger geschafft hat. Was immer darunter zu verstehen ist. Bei einem Glas Champagner unterhält man sich amüsiert angeregt über den angesagten Szene-Koch und seine Biografie. Wie hieß er noch gleich? Strohe. Natürlich, Max Strohe. Man kennt sich, ist Stammgast in seinem Berliner Restaurant „Tuluse Lotrek“. Wie originell!
Auch das Magazin „DER FEINSCHMECKER“ ergötzt sich in Freuden und lobt den Koch, über den angeblich „die ganze Republik spricht“, als „mutigen Querkopf, der für eine autarke und sinnliche Küche steht“. Mag sein, dass man in Hamburger Feinschmecker-Kreisen über Max Strohe spricht, das ist aber beileibe nicht die ganze Republik. Die Wahrheit kann grausam sein: es ist nur ein Vierhundertzweiundsiebzigstel – habs ausgerechnet.
Apropos Republik: Der „STERN“ hält Strohe sogar für einen Alchemisten. Und das nicht etwa, weil er sich in jungen Jahren Drogen reingezogen hat, sondern weil alles zu Gold werde, was er anfasst. Und die vielen Mädels, die er flachgelegt hat? Golden Girls? Strohe selbst macht in seiner Biografie kein Hehl daraus, dass er in seiner abgefuckten Jugend viel Sex hatte. Wilde Zeiten vor dem Ruhm als Koch. Immerhin ist er ja auch schon 40 Jahre alt, in vier bewegte Jahrzehnte passt viel hinein. Man muss nur früh damit anfangen. Und spätestens kurz vor der Midlifecrisis sollte man seine Biografie geschrieben haben.
Natürlich nach Erfolgsrezept: ein bisschen Realität mit Fiktion vermischen, ein familiäres Umfeld frei erfinden, beliebte Klischees bedienen, das Ganze in ein bisschen Gossen-Sprache tauchen, einmal umrühren und schon ist die bejubelt Biografie fertig. Gut, dass Max Strohe am Ende doch nicht der zweite Jim Morrison geworden ist, der er eigentlich sein wollte und der schon länger tot ist, als Strohe lebt. Ein Michelin-Stern und die Auszeichnung „Koch des Jahres“ tuen es ja auch. Dazu die Verklärung seines autobiografischen Buches als realistischer Blick nicht hinter, sondern in die Kulissen. Mehr geht nicht! Oder Max Strohe hätte seine Biografie zehn Jahre früher schreiben müssen. Vielleicht sogar vor Harry Potter.
Max Strohe
Kochen am offenen Herzen
Lehr- und Wanderjahre
Tropen Verlag 2022, Stuttgart
256 Seiten, 22 Euro
Foto: Pixabay
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