Gastro-Traumberufe: Wie wärs mit Winterreifen-Sommelier?

von | Nov. 3, 2023 | Aufmacher | 0 Kommentare

Wer heute die Hürden des deutschen Bildungssystems, integrativer Kindergarten, Schule und Universität, schadlos an Leib und Seele überstanden hat, steht eines Tages unweigerlich vor der Frage: Was tun, um die Zeit bis zur Rente totzuschlagen? Die Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung sind ungeahnt größer als alle Generationen zuvor. „Mach mal Pause“, der sinnige Spruch eines amerikanischen Erfrischungsgetränkes wird da schnell zum Programm. Schließlich gilt es den angestauten Stress der Schullaufbahn und die nervenden Ratschläge des gut meinenden Elternhauses abzubauen. Was liegt da näher, als sich zunächst in der Welt umzuschauen, Australien und Neuseeland mit dem Rucksack zu durchwandern, oder das Wellenreiten an den Stränden von Miami zu erlernen, um später im bundesdeutschen Berufsalltag von den Erinnerungen an Freiheit und Abenteuer zu zehren.

Doch was tun nach dem Trip in die Träume? Gibt es überhaupt noch Berufe die aus Berufung ergriffen werden, und in denen man seine Neigungen und Leidenschaften einbringen kann, ohne am Monatsende haarscharf am Existenzminimum entlang zu schlittern? Oder gibt es nur noch Jobs die zwar einen halbwegs akzeptablen Lebensunterhalt sichern, aber letztlich wenig zur Selbstfindung und inneren Zufriedenheit beitragen? Lehrstellen in der Pathologie bleiben meist umbesetzt, die Polizei jammert trotz neuer, schicker Uniformen über Nachwuchsmangel, auch die dreijährige Ausbildung als Knecht auf einem EU-geförderten Bauernhof scheint für Berufseinsteiger wenig lukrativ zu sein. Wer möchte heute noch Bäcker werden und zwangsweise kleine Brötchen backen, oder als Lokomotivführer einen jener schnittigen Züge steuern, die immer zu spät losfahren und noch später ankommen?

Und wer träumt heute noch von einem freien Leben über den Wolken als Saftschubse (Coffee, Tea or me?) in einem engen Luftfahrzeug mit lüsternden Passagieren aus der Kategorie Malle und Prosecco an Bord? Das ist doch frustrierend! Dann lieber Webdesigner, Vorstandsvorsitzender einer internationalen Bank, oder Broker an der New Yorker Börse, deren jährliche Weihnachtsgratifikationen den gesamten Etat eines europäischen Kleinstaates übersteigen.

Wem selbst das zu stressig ist, sollte sich einen der gut dotierten Jobs in der Gastronomie und Hotellerie suchen. Hier wissen die Arbeitgeber noch was sie an ihren Mitarbeitern haben und zahlen Gehälter, die einem Freudentränen ins Gesicht treiben. Dass die Tätigkeit mitten im schönen Leben zwischen Gänseleber und Champagner überhaupt vergütet wird, fällt ohnehin unter die Kategorie Großmut. Schließlich kann schon der Auszubildende seine Miete sparen und sein müdes Haupt für wenige Stunden im Backoffice ausruhen. Dazu gibt es kostenlose Verpflegung im schick ausstaffierten Sozialraum, und für alle, die nicht wissen was sie an den sinnlosen Feiertagen und unendlich langen Wochenenden treiben sollen, Beschäftigungstherapie vom Feinsten bis in die frühen Morgenstunden, die wahrlich Gold im Munde haben. Dazu sind die Aufstiegschancen ungeahnt.

Wer die Ausbildung zum Koch überlebt kann überall einen Imbiss eröffnen. Und wer als Kellner seine Karriere beginnt, dem steht bei entsprechender Eignung die Welt der Sommeliers offen. Und die ist mittlerweile größer als jemals zuvor und umfasst längst nicht mehr das profane Öffnen von Weinflaschen am Tisch gut gelaunter und erwartungsfroher Gäste. Wer von Hause aus introvertiert ist schult um zum Stillwasser-Sommelier, wer das pralle Leben liebt wird Fleisch-Sommelier, wer einen Hang zum dolce vita hat, verdient sich seinen Lebensunterhalt als Schokoladen-Sommelier, und wer sich als Jedi-Ritter im Finanzdschungel versteht, heuert in Österreich als Steuer-Sommelier an. Sage noch einer es gebe keine Traumberufe mehr. Apropos: gibt es eigentlich schon einen Winterreifen-Sommelier, der sich mit den passenden Pneus zum entsprechenden Kraftfahrzeug auskennt? Da wäre gerade in dieser Jahreszeit guter Rat von Nöten. 

Foto: Pixabay

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