Dass Geschmäcker verschieden sind ist keine evolutionäre Schikane der Sinnesorgane, sondern die Grundvoraussetzung für Vielfalt und Auswahl. Sinnliche, ebenso wie gedankliche Eindimensionalität ist zumindest für halbwegs aufgeschlossene Zeitgenossen eine körperliche Tortur, die in ihrer psychischen Tiefe nur schwer zu ertragen ist. Doch treffen zwei völlig unterschiedlich geartete Geschmacksideen aufeinander stellt sich unweigerlich die Frage nach der Kompatibilität und deren sinnlicher Akzeptanz. Wahrscheinlich sind deswegen Heerscharen von Besserwisser und Schlaumeier akribisch auf die Suche nach dem perfekten Genuss, oder nach dem, was nach ihrer Meinung zusammenpasst, um die vermeintlich gelungene Liaison zu adeln.
Oder eben auch nicht. Was beim alltäglichen Streifzug durch den Supermarkt kaum wahrgenommen wird, kann einem im Restaurant nicht nur die Sprache verschlagen, sondern auch den Appetit nehmen. Musik! Nicht mehr als Hintergrundgedudel, das in seiner harmonischen Komplexität an die weichgespülte Winnetou-Filmmusik erinnert, sondern heftige Tonfolgen, die nicht, wie im Supermarkt hin und wieder mit Durchsagen der Fleischtheke unterbrochen werden, um den ahnungslosen Konsumenten die wurstigen Sonderangebote anzupreisen. Im Restaurant gilt die Musik allein der Musik und man fragt sich, ob bei der Auswahl die tätowierten und gepiercten Köche die Finger mit im Spiel haben, oder der harmlos wirkende Service sein Lieblingslieder-Potpourri unterschwellig an den Mann und die Frau bringen möchte. Die Frage, ob es geschmeckt hat, ist dann nur die halbe Wahrheit. Vielmehr müsste es heißen: waren Essen, Wein und Musik nach ihrem Geschmack?
Eine gute Frage, denn welche Musik passt zu welchem Essen? Welche Töne zu welchem Wein? Mein alter Freund Niki liebt Heavy Metal über alles und geht gerne gut essen. Passen Iron Maden oder Judas Priest zu Lammrücken oder Kalbsbries? Oder lieber etwas Volkstümliches, etwa Helene Fischer oder die Wildecker Herzbuben, die ja sichtlich fürs Essen Pate stehen. Und was ist mit Heino? Könnte er ein musikalischer Botschafter der selbstbewussten Neuen Deutschen Küche sein? Soll zum Dessert das Lied der schwarzbraunen Haselnuss ertönen? Serviert von der schwarzen Barbara, der Restaurantfachfrau mit zentralafrikanischem Migrationshintergrund? Anständige deutsche Musik gegen Rassismus, das dürfte doch selbst die woken Gutmenschen an den Stammtisch ins Wirtshaus locken.
Übrigens: Marschmusik, etwa „Preußens Gloria“ in einer Aufnahme des Stabsmusikkorps der Bundeswehr, hört man nie in einem Restaurant. Nicht einmal in einem holzgetäfelten Ambiente, wo das Durchschnittsalter der Gäste jenes der Raritäten auf der üppigen Weinkarte übertrifft. Stattdessen spielte der befrackte Pianist in der Heidelberger Kurfürstenstube, tadellos stilecht gewandet im Smoking und Lackschuhen den Evergreen „Tulpen aus Amsterdam“ zum Hauptgang. Was es zum Dessert gab, haben wir dann leider vergessen.
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Lieber Ingo,
ich fühle mich geehrt, dass Du mich in Deinem Artikel über Speisen und passender musikalischer Begleitung ins Spiel bringst. Zugegeben, bei der in Verbindung mit meiner Person erwähnten musikalischen Auswahl fiele mir selbst privat nicht eine attraktive kulinarisch reizvolle Situation ein. Mein Magen würde wohl revoltieren! Angenehme Musikbegleitung zum Essen – ich denke spontan an zwei Lokale, die das nach meinem Empfinden (und dem anderer Gäste wohl auch) gut hinbekommen, wenn ich denn diese so mal als Beispiele erwähnen darf: “Tower One” in Mainz-Finthen und “Slurp Nudelbar” in München. Man genießt entspannt und lobt Essen und Atmosphäre beim Gehen. Also, es geht schon. Eines ist meiner Meinung nach wesentlich: Musik muss für Kopf und Magen als Wegbereiter entspannend im Hintergrund bleiben.
Ach ja, Supermarkt: mir graust vor solchen Shopping-Events! Gut, dass es den verlässlichen Einkaufszettel gibt. Schnell durch und raus. Welchen Idioten hat man erzählt, dass eine solch gräßliche Geräusch-Folterkammer zum Einkaufserlebnis gehört? Wie sagte doch Albert Einstein: “Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.”
Beste Grüße,
Niki