Hessische Staatsweingüter: Niedergang auf Raten

von | Feb 24, 2023 | Aufmacher | 2 Kommentare

Staatsbetriebe haben eine eigene Dynamik, die, wie im Fall der Hessischen Staatsweingüter Kloster Eberbach, auch vor kontinuierlichen Rückschritten nicht Halt macht. Seit Jahren stolpert der einstige Vorzeige- und Musterbetrieb mehr und mehr ins Mittelmaß. Von der einstigen Strahlkraft für die gesamte deutsche Weinwirtschaft ist nicht viel geblieben, in der angesagten Weinszene spielen die Staatsweingüter Kloster Eberbach längst keine Rolle mehr.

Noch im 20. Jahrhundert rühmte sich die Domäne den wertvollsten Weinbergbesitz aller deutschen Weingüter zu haben, denn sie verfügte wie kein anderer Betrieb über die größte Rebfläche innerhalb der Lagen, die in der ältesten Lagenkarte der Welt von 1867 mit der höchsten Kategorie klassifiziert wurden. Glorreiche Zeiten und ein großartiges Fundament. Wenn man das Potenzial zu nutzen weiß. Doch daran hapert es seit Jahren, der seit 1945 hessische Landesbetrieb, der im Jahre 2003 in eine GmbH umgewandelt wurde, hat in allen Bereichen der modernen Weinwelt den Anschluss verloren. Allenfalls wird zu Traditionsveranstaltungen noch die Schatzkammer bemüht, um den Glanz der Rieslinge und Assmannshäuser Spätburgunder heraufzubeschwören, die einst den guten Ruf der Domäne begründet haben und den die heutigen Gewächse gänzlich vermissen lassen. Die präsentieren sich eher rustikal in der Frucht, zwar sortentypisch, aber wenig elegant, noch weniger erfrischend beschwingt und vor allem ohne Strahlkraft. Durchschnittliche Weine, etwas träge und schwerfällig wie das Gesamtkonstrukt des Groß-Betriebes.

Dabei ist das rund 230 Hektar große Weingut, das aus dem viel zitierten Erbe der Zisterzienser und deren Weinbergbesitz mit Aufhebung der Abtei am 19. September 1803 und der Einrichtung einer Fürstlichen Weinkellerei hervorging, großzügig mit besten und allerbesten Lagen ausgestattet. Dazu wurde im Jahre 2008 eine neue Kellerei am Steinberg in Betrieb genommen, die eigentlich der Startschuss in eine erfolgreiche Zukunft sein sollte. Ein Fehlschuss, der die vielen Kritiker der neuen Kellerei am Ende bestätigt. Aber nicht nur den Weinen fehlt es an sensorischen Eigenschaften, die sie über das Mittelmaß heben würde. Es fehlen dem Landesbetrieb Visionen, die dazu passenden Macher und gleichzeitig eine realistische Einschätzung seines Status quo. Nur mit dem Hinweis auf eine glorreiche Vergangenheit ist heute in der Weinwelt kein Staat mehr zu machen. Im Rheingau haben längst dynamische und engagierte Familienbetriebe die Nase vorne, die von Visionären, charismatischen Charakterköpfen und Qualitätsmanagern geführt werden. Nur so ist der wirtschaftliche Erfolg garantiert und damit die Existenz gesichert, wenn keine Landesbehörde in Sicht ist, die mit Steuergeldern unter die Arme greift.

Auch in Sachen Marketing ist man im Hintertreffen und meilenweit der wirtschaftlichen Realität entrückt, wie die Änderung der Etiketten der Hessischen Staatsweingüter beispielhaft zeigt. Der markante und über Jahrzehnte eindeutig mit den Weinen der Staatsweingüter in Verbindung gebrachte Adler wurde über Nacht mit hilflosen laienhaften historischen Erklärungen vom Etikett verbannt, auf dem jetzt die Teil-Silhouette von Kloster Eberbach in Miniatur zu sehen ist. Dabei ist der Adler eines der ältesten Staatsymbole der Welt und das älteste heute noch bestehende europäische Hoheitszeichen, das bekanntlich auch zum Wappen der Bundesrepublik Deutschland gehört. Die Abschaffung des angeblichen „Nazi“-Adlers auf den Etiketten der Hessischen Staatsweingüter Kloster Eberbach ist ein Lehrstück, wie Geschichte unprofessionell, aber auch widerspruchslos so hingebogen wird, das am Ende die profane und austauschbare Langweile triumphiert. Insoweit passen die „neuen“ Etiketten bestens zu den Weinen der Hessischen Staatsweingüter Kloster Eberbach.

Foto: Pixabay

2 Kommentare

  1. Na da bin ich mal gespannt, wieviel Staub dieser Beitrag im Rheingau aufwirbeln wird.
    Ich kann nicht beurteilen, ob diese Kritik berechtigt oder überzogen ist, da ich wenig bis gar keinen Wein von den Staatsweingütern konsumiere. Ich halte mich eher an kleinere familiengeführte Betriebe im Rheingau.
    Aber den Beitrag am Freitag zu veröffentlichen ist schon clever, da kann er sich übers ganze Wochenende im Web verbreiten. Entsprechende Reichweite eures blogs vorausgesetzt.
    @Georg: Es freut mich, dass du meine Anmerkungen schon im Text umgesetzt hast.
    Aber auf Dauer mach ich nicht das Lektorat für euch 😉
    Ich werde euch weiter kritisch begleiten und das ist jetzt nicht als Drohung gemeint

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  2. Guter Beitrag, der m.E. die Problematik treffend benennt. Den Niedergang in die besagte Bedeutungslosigkeit hat der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch eingeleitet: die Verquickung verschiedener Interessen aus seiner politischen Machtposition heraus. Die Entscheidung, die Verwaltung und Kellerei der Domäne in Eltville aufzulösen und nach Kloster Eberbach bzw. in den Steinberg umzusiedeln war und ist aus unternehmerischer Sicht auch für den einstigen Standort Eltville fragwürdig zu betrachten. Aber auch der damalige Eltviller Bürgermeister Hoffmann (CDU) war nicht darauf erpicht, das Zugpferd Staatsweingüter in seinem Stall zu halten. Im Gegenteil, er hat brav den Mund gehalten. Dann die mit politischer Segnung intronisierte Geschäftsführung: Sie hat bei weitem nicht die Strahlkraft ihres berühmten Vorgängers im Dienste des ehemaligen Staatsunternehmens. Der heutige Vergleich mit internationalen Weingütern ist im Grunde genommen obsolet. Wer spricht heute noch von dem Weingut, das sich des Adlers als manifestiertes Markensymbol (“eye-catcher”) entledigen musste? Wäre nicht das Trittbrett Kloster Eberbach, das einstige staatliche Vorzeigeunternehmen würde wirklich nur noch unter “ferner liefen” gelistet.

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