Wir waren immer Fans der Stiftung Warentest und haben die Publikationen der gemeinnützigen Verbraucherorganisation, die mit Steuergeldern gefördert wird, nicht nur mit Interesse gelesen, sondern den Test-Ergebnissen meistens auch blind vertraut. Bis zum Dezember dieses Jahres. Da untersuchte die Stiftung 18 Christstollen und überraschte mit einem Ergebnis, das vielleicht denen schmeckt, die noch an den Weihnachtsmann glauben. Denn als Testsieger kürten die Warentester „Dr. Quendt’s Dresdner Christstollen“, ein Industrieprodukt, das vor allem bei den Discountern in den Regalen liegt. Der Günstige unter den Guten, bewirbt die Stiftung ihren Favoriten. Wir wollten es genau wissen und haben uns drei der empfohlenen und zwei weitere Stollen gekauft und am 4. Dezember verkostet.
Den Sieger-Stollen gab es im Supermarkt Globus für ganze 6,99 Euro das Kilo. Das ist nicht günstig, das ist billig. Nun denn, statt süßer die Glocken klingen uns fromme Sprüche von Nachhaltigkeit und Qualität, und dass sich Tradition und Handwerk geschmacklich bemerkbar macht, in den Ohren. Es weihnachtet, es ist die Zeit der Mythen und Legenden. Denn für knapp sieben Euro kann niemand einen Stollen handwerklich herstellen, wie Stiftung Warentest uns glauben machen möchte. Nicht einmal das Christkind. Doch die vermeintlich unabhängige Stiftung setzt noch einem oben drauf und behauptet, dass alle getesteten Gebäcke Rosinen enthalten würden. Stimmt nicht. Dr. Quendt benutzt laut seiner Zutatenliste keine Rosinen, sondern die Billigvariante Sultaninen. Die werden „gedippt“, also mit einer Mischung aus Pottasche und Öl besprüht, damit das Wasser schneller aus der Frucht entweichen kann. Sultaninen trocknen entsprechend weniger lang als Rosinen und sind deshalb billiger. Genauso wie das Dekorpuder, mit dem der Stollen anstelle echten Puderzuckers bestreut ist. Schön weiß, aber preisgünstig. Das Ganze mit Glukosesirup und Glukose-Fruktose-Sirup als Süßungsmittel und zur Volumenvergrößerung und Erzeugung eines weicheren Mundgefühls aufgepeppt. Auch bei der Probe aufs Exempel widersprechen wir den Warentestern. Die Krume war faserig statt mürbe und locker, wenig aromatisch und der Christstollen schmeckte insgesamt zu trocken. Wie dieser Stollen unter 18 getesteten Exemplaren die Bestnote bekommen konnte, bleibt uns ein Rätsel.
Für die kiloschwere und mit goldener Schleife schick verpackte Backware aus der Stollenbäckerei Krause muss man rund 20 Euro ausgeben. Gebacken sei der Stollen, natürlich mit erlesenen Zutaten wie Sultaninen, Mandeln, „Edelhefe“ und feinster Butter, nach dem Familienrezept von Großvater Herbert Krause. So jedenfalls die Werbeabteilung der Dresdner Bäckerei. Was immer hinter erlesen, edel und fein stecken mag: der Stollen präsentierte sich einfach ausreichend saftig und locker in der Krume, schmeckte tatsächlich ausgewogen nach Sultaninen, Orangeat und etwas Zitrone. Kein Premiumprodukt, aber deutlich vor dem Sieger der Warentester. Gut!
Die größte Enttäuschung, weil mit den höchsten Erwartungen und einem Preis von rund 30 Euro für das Kilo verbunden, war der Kreutzkamm-Stollen. Ein Klassiker, für den laut „Conditorei“ (mit altertümlich wirkendem „C“) nur „allerfeinste, erlesene Zutaten“ verwendet, und „behutsam zu einem wohlriechenden, geschmeidigen Teig“ verarbeitet werden. Aufgrund seiner aufwändigen Herstellung sei der Stollen edel im Geschmack, vollmundig und aromatisch. Das unterschreiben wir leider nicht! Zwar war der Stollen tatsächlich mit echten Rosinen fast übermäßig gespickt, schmeckte aber eindimensional, wenig aromatisch und erinnerte in der leicht trockenen Konsistenz seiner nicht besonders lockeren oder mürben Krume an ein zwei Tage altes Rosinenbrötchen. Der auf der Homepage angepriesene Puderzucker entpuppte sich am Ende doch wieder nur als Dekorzucker.
Ganz anders der Stollen aus der Bäckerei Erbel im fränkischen Dachsbach. In jeder Beziehung fernab der Dresdner Stollen-Tradition. Der Freibäcker Arnd Erbel produziert seinen Stollen, der mit rund 30 Euro fürs Kilo zu Buche schlägt, ohne Backhefe. Es ist ein Sauerteigstollen, den wir mit staunenden Augen verkostet haben. Perfekt saftig in der Krume, locker und leicht mürbe, aromatisch geprägt von dem ausgewogenen Geschmack von Rosinen, auch wenn die übersichtlich im Teig verteilt sind, Orangeat, Zitronat, getrockneten Aprikosenstückchen, Haselnüssen, Butter und einem Hauch Zimt. Dazu eine knusprige Kruste wie bei einem guten Sauerteigbrot. Sehr gut!
Der zweite empfehlenswerte Bäcker-Stollen kommt aus unserer Heimat, aus der Bäckerei Dries in Rüdesheim. Das ist erst einmal kein Bewertungskriterium! Für uns zählt allein die ehrliche Qualität: in den Zutaten, der Zubereitung und im Geschmack! Und da ist der Stollen von Bäckermeister Stefan Dries ganz vorne. Rund 22 Euro kostet das Kilo, dafür bekommt man ein Produkt, das mit erstaunlich wenig Zutaten auskommt. Keine Zusatzstoffe, kein Glukose-Fruktose-Sirup, keine Säuerungsfette, nichts um Volumen aufzublasen. Stollen produziert nach altem Bäckerhandwerk aus Mehl, Butter, Hefe, Zitronat, Orangeat und Stollengewürz. Und im Rheingau statt mit Rum mit Riesling-Weinbrand verfeinert. Ein saftiger Stollen mit mürber Krume und aromafüllendem Geschmack, fein abgerundet mit Noten vom Weinbrand. Sehr gut!
Dass der beste Stollen, wie alles im Leben, am Ende Geschmackssache ist, bleibt eine Binsenweisheit. Wie immer die Testergebnisse der Stiftung Warentest zustande kamen, uns haben die Resultate nachdenklich gemacht. Teuer ist erst einmal kein verlässliches Qualitätskriterium, darauf kann man sich einigen. Aber billig ist es noch weniger. Mit billigen Zutaten, einer langen Liste an Zusatzstoffen und chemischen, wenn auch vom Gesetz legitimierten Tricksereien, kann kein Qualitätsprodukt entstehen. Die ständige Diskussion, ja Forderung nach Bio-Produkten, Ressourcenschonung, fairem Handel, Nachhaltigkeit und Schutz des Handwerks wird mit aufgeblasenen Industrie-Produkten konterkariert. Aber immerhin stellen Schadstoffe bei allen von ihnen getesteten Produkten kein größeres Problem dar, wie Stiftung Warentest versichert. Das klingt beruhigend, denn kleinere Probleme lassen sich ja bekanntlich besser verdauen.
Foto: Privat
Bei der Stiftung Warentest werden Winterreifen, Lebensversicherungen oder Zoomobjektive getestet. Und zwar immer von den selben Leuten mit den selben Test Methoden. So mein Eindruck. Da kann ja nichts vernünftiges rauskommen.
Die vom IfW veröffentlichten Tests, Lebensmittel als auch Waren, sind mir schon lange suspekt.
Das Vertrauen in die Tests des IfW haben meine Frau und ich vollständig verloren, als wir die Testergebnisse von Olivenöl gelesen haben. Seit Jahren werden minderwertige und billige Öle von Großproduzenten als hochwertige Öle von den Testern deklariert.
Hier der Link zu einem interessanten Artikel bezüglich der Olivenöltests vom IfW:
https://www.merum.info/stiftungwarentest/