Beim Wort „Munster“ geraten Scheiblettenkäse-Fans in Panik. Für sie ist der Rotschmierkäse aus den Vogesen Inbegriff des „Stinkers“ und vor allem im gereiften Zustand praktisch ungenießbar. Wer indes, wie die meisten Franzosen, würzige Käse liebt und sich auch nicht an einer mehr oder minder stark ausgeprägten Ammoniaknote stört, für den ist ein perfekt affinierter Munster ein Genuss ohnegleichen. Egal, wie man ihn sich einverleibt: pur als Teil einer Käseplatte, einer traditionellen Melkermahlzeit in einem Bergbauernhof in den Hochvogesen, oder eines mit Munster verfeinerten elsässischen Flammkuchens.
Auf den zahlreichen Weihnachtsmärkten im Elsass findet man jetzt auch wieder die Munstiflette oder Vosgiflette, einen rustikalen Kartoffelauflauf mit Speck, Zwiebeln und Munsterkäse, angelehnt an die savoyardische Tartiflette, für die allerdings ein Reblochon zum Einsatz kommt. Und es gibt noch ein anderes, typisch elsässisches Gericht, bei dem Munster zum Einsatz kommt: Pommes de Terre coiffées de Munster, also große Pellkartoffeln, die ausgehöhlt, mit Munster gefüllt und dann gebacken werden. Dazu ist man, wie zu einem Schweizer Raclette, Gewürzgurken und vielleicht einen Salat. Französische Gewürzgurken sind viel pikanter als deutsche. Wer den süßen alemannischen Kindergeschmack von Hengstenberg & Co. gewöhnt ist, braucht einige Zeit, um sich umzustellen. Doch dann möchte man die extrem sauren Stangen nicht mehr missen.
Wenn man sich mutig für einen Munster entscheidet, sollte es sich unbedingt um einen Munster fermier handeln, handwerklich hergestellt aus Rohmilch und idealerweise auf einer der rustikalen Ferme Auberges, wie sich auf den Höhen der Vogesen finden. Eine lohnende Adresse ist auch die Maison du Fromage mit Schaukäserei im Munstertal, wo man alles über die Tradition dieser Spezialität erfährt. In Colmar, Schlettstadt und Straßburg findet man Munsterkäse fast an jeder Straßenecke. Zwei Geschäfte seien besonders empfohlen: „La petite ferme Riedwasen“ in Schlettstadt und „La fromagerie Saint Nicolas“ in Colmar
Die Munsterlaibe gibt es in verschiedenen Größen und Reifegraden. Außerdem gibt es neben der Natur-Variante eine mit Kümmel aromatisierte Version. Am besten, man ersteht bei einem Aufenthalt im Elsass oder in den Vogesen ein paar Laibe in unterschiedlichen Stadien der Verwesung und legt sie zu Hause in den Kühlschrank, wo man sie weiter kontrolliert vergammeln lässt. Essen sollte man den Käse, wenn sich der Teig langsam zu verflüssigen beginnt. Falls die Rinde zu bitter schmeckt, kann man sie getrost entfernen. Bei Supermarktware, wie sie vielerorts auch in Deutschland zu finden ist, handelt es sich meist um Industriekäse aus pasteurisierter Milch, der mit dem Bauernkäse nicht zu vergleichen ist.
Die Milch für den Munster, der ursprünglich aus der Region um die ehemalige Benediktinerabtei Sankt Gregor im Val du Munster westlich von Colmar stammt, kommt meist von Tieren der Rassen Simmental, Montbéliard und Holstein. Leider nur noch ein geringer Teil wird vom Vogesenrind geliefert, einer kleinen, an das raue Klima des Gebirgszuges angepassten Rinderrasse, die aus Skandinavien stammen soll. Ihr Bestand war bis in die siebziger Jahre auf nur noch wenige Tausend geschrumpft, wächst aber infolge diverser Schutz- und Förderprogramme wieder an. Der Käsebruch wird in Metallformen gepresst und mehrere Wochen gereift, wobei er abwechselnd mit Salzlacke und einer Rotschmierkultur gewaschen wird.
Perfekt affiniert findet man Munster etwa bei Monsieur Antony, einem der angesehensten Affineure Frankreichs Fromagerie Antony – Éleveur de Fromages, der seine Kunden, darunter viele Sternerestaurants, schon mal per Rolls Royce oder, wenn es besonders eilig ist, mit dem Hubschrauber versorgt. Sein Geschäft findet sich im Sundgau, ganz im Süden des Elsass an der Grenze zur Schweiz. Dort kann man die ausgefallensten Käse aus Frankreich und der ganzen Welt verkosten und mit nach Hause nehmen. In dem wunderschön aufgemachten Buch „Typisch Elsass – Landschaften, Leute, Brauchtum, Rezepte“ (1992) wird Monsieur mit dem Satz zitiert, „le fromage“ sei wie eine „belle femme“, man müsse immer auf den richtigen Zeitpunkt warten. Heute würde er für diesen Satz wohl gnadenlos abgewatscht.
Foto: ets


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