Mehr Durchblick für Gastrokritiker – ein Zwischenruf

von | Aug. 14, 2025 | Aufmacher | 0 Kommentare

Zugegeben: Kritik gehört nicht gerade zu den erbaulichen Dingen des Lebens, auch wenn immer und überall die tröstlich gemeinte Parole ausgegeben wird, aus Kritik könne man lernen. Sofern sie konstruktiv sei und auf verständnisvolle Kritikfähigkeit falle. Traumhafte Kritikwelt? Die Realität sieht meist anders aus! Denn Kritik hat in Deutschland wenig Tradition, obwohl gerade hierzulande nahezu alles und jeder kritisiert wird.

Es kommt aber noch schlimmer. Jedermann und Frau fühlen sich in Deutschland als unbestechlicher und fachkundiger Kritiker berufen. Drei besonders beliebte Kritik-Tummelfelder spiegeln denn auch die wirklich wichtigen Dinge des Lebens wieder: Politik, Fußball und Gastronomie. Aber während man zumindest eine Trainer-Lizenz benötigt, um Jugendliche über den grünen Rasen zu hetzen, reicht für die Sparten Politik und Gastronomie die rein physische Existenz aus.

Darüber hinaus erkennbare Talente oder Fähigkeiten sind nicht unbedingt gefragt. Manchmal eher hinderlich. Denn unter Blinden kann der Sehende auch lästig sein. Man ist, also kritisiert man. Wenn man isst, sowieso. Das hat natürlich den Vorteil, dass sich jedermann oder Frau vorstellen kann, auch Bundestrainer oder Bundeskanzler zu sein. Oder man ist einfach mal so Sommelier, Koch oder gar Weinkenner. Wer noch einen oben drauf setzen will, macht das Hobby zum Beruf.

Aber wer darf eigentlich über Gastronomie im weitesten Sinne schreiben? Muss man dazu eine Suppe von einer Sauce unterscheiden können? Oder einen Weißwein von einem Roten? Mittlerweile scheinen nicht einmal mehr diese Minimalanforderungen ambitionierte Zeitgenossen vor der scharfen Feder zurückzuhalten. Auf der Kritikerseite tummelt sich eine Horde ahnungsloser Möchtegern-Gourmets und mittelmäßig begabte Weinliebhaber, deren kulinarischer Horizont meistens nur bis zum nächsten Supermarkt reicht. Frechheit siegt, mit ein paar Standardsprüchen sieht die Kritikerwelt schon ziemlich professionell aus.

Und wer getraut sich denn schon die Kritiker zu kritisieren? Wer wirft den ersten Stein? Kritik also eine unantastbare Spielwiese für jedermann? Im Prinzip ja. Denn die meisten Köche und Winzer lassen sich unwidersprochen vorführen. Man weiß ja nie, ob man dafür im nächsten Jahr mit einem Wiedergutmachungspreis rechnen kann. Und wer gut abschneidet, wird die Kritik ohnehin als unverzichtbar loben. Der Rest hält in hoffnungsfroher Erwartungshaltung inne. Außerdem kann man über Geschmack nicht streiten, obwohl Nietzsche meint, dass letztendlich alles im Leben ein Streiten um Geschmack sei.

Was also tun? Gibt es eine Lösung des Kritiker-Problems? Wohl kaum, es sein denn, die Gastronomie und Winzerschaft tritt den vermeintlich mächtigen Kritikern mit etwas mehr Selbstbewusstsein und Kompetenz gegenüber. Dann wird sich auch auf Kritikerseite sehr schnell die Spreu vom Weizen trennen. Denn auch die Qualität eines Kritikers ist messbar.

Foto: Pixabay

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