Frankreich ist eines der wenigen europäischen Länder, das einen bedeutenden Ziegenbestand unterhält und Ziegenmilch verarbeitet. Frankreich hat einen Ziegenbestand von mehr als einer Millionen Tieren, die zu rund 90 Prozent als Milchziegen gehalten werden. Die besten Voraussetzungen finden die Ziegen auf den Weiden in den Regionen Pays-de-la-Loire, Poitou-Charentes, Centre, Burgund, Rhône-Alpes, Provence, Languedoc-Roussillon, Midi-Pyrénées sowie Teilen von Aquitanien und auf Korsika. Mit Abstand den höchsten Bestand verzeichnen die klassischen Ziegenkäseregionen Poitou-Charentes und Centre (Touraine). Zwei Ziegenrassen bestimmen heute das Geschehen rund um die Ziegenkäseproduktion. Die Saanenziege stammt ursprünglich aus dem Saanental im Schweizer Kanton Bern und heute in ganz Frankreich verbreitet. Die weißen Ziegen – mit oder ohne Hörner – werden sehr groß und sind für ihre hohe Milchleistung bei den Züchtern besonders beliebt und geschätzt. Die braune oder schwarze Alpine Ziege (Alpine chamoisée) trifft man vorwiegend im Westen Frankreichs an. Die Milchleistung der Alpine Ziege liegt ähnlich hoch wie bei der Saanen-Rasse.
Geschmackvolle Formenvielfalt
Die Wahl der Käse stellt sich für viele Zeitgenossen als Qual heraus, denn nicht allein das umfangreiche Angebot überfordert zuweilen. Vor allem sind es die Käse selbst, die zum großen Teil auch dem eingefleischten Frankreichfreund unbekannt sind. Wie heißen sie denn nun? Ein einfacher Fingerzeig auf den gewünschten Käse schafft Abhilfe und überwindet Sprachbarrieren. Unschwer zu erkennen sind Brie, Camembert und die Blauschimmelkäse. Der Ziegenkäse dagegen präsentiert sich in den verschiedensten Formen und Gebilden. Dem Einfallsreichtum der Erzeuger sind dabei keine Grenzen gesetzt. Kaum eine Region zwischen Elsass und Atlantik, Normandie und Mittelmeerküste, die nicht ihren eigenen Chèvre produziert, und ihn durch eine außergewöhnliche Form von den Chèvres der Nachbarregion unterscheidet. Am auffälligsten und bekanntesten ist die Pyramidenform des „Pouligny-Saint-Pierre“, aber auch das Aussehen des „Valencay“ ist recht spektakulär und erinnert an einen Pflasterstein. Neben den klassischen runden Formen unterschiedlicher Größe existieren Ziegenkäse in Zylinder,- Kegel,- Ziegel- oder Knopfform, aber auch kleine runde Scheiben, Rechtecke und Rollen sind typisch für den französischen Chèvre. Allen gemein ist, dass sie durchweg relativ klein sind, geradezu handlich. Als „tommes“ oder „tomes“ bezeichnet man kleine, meist runde Käse, die auf Bauernhöfen produziert werden. Ein Großteil der Tomme-Ziegenkäse kommt aus den Savoyen und den Pyrenäen.
Wie kommt die Asche auf den Käse?
Zu allen Zeiten suchten die Menschen nach Möglichkeiten, ihre Lebensmittel zu konservieren. Schon früh erkannten die Käseproduzenten die Möglichkeit, mittels der Asche, die in jedem Haushalt ausreichend zur Verfügung stand, den Ziegenkäse über einen längeren Zeitraum haltbar zu machen. Auf die eigentliche Qualität des Käses hat die Holzkohlen-oder Pflanzenasche keinen nennenswerten Einfluss. Allerdings kompensiert sie die Feuchtigkeit auf der Käseoberfläche und begünstigt so die Bildung von Rinden- und Edelschimmel. Moderne Kühltechnik in Gastronomie, Handel und in den privaten Haushalten machen heute das Aschen der Käse zur reinen Konservierung eigentlich überflüssig. Aber die Produzenten möchten mit den alten Traditionen nicht brechen, zumal auch der geaschte Chèvre ein Markenzeichen geworden ist. Zu der Asche wird Salz hinzugegeben und zu einer homogenen Masse vermischt. Die frischen Käse werden per Hand mit der leicht salzigen Asche eingerieben oder bestäubt. In größeren Produktionsstätten übernimmt eine Maschine die teure Handarbeit. Wie in einem Sandsturm wird hier die Asche auf die Käse geblasen, bevor der Chévre zum trockenen in die Kühlkammern kommt.
Ziegenkäse mit Herkunftsbezeichnung
Derzeit sind 51 französische Käsesorten mit dem AOP-Siegel (Appellation d’Origine Protégée) ausgezeichnet, zwölf davon sind Ziegenkäse. Um die Bezeichnung „Ziegenkäse“ (pur Chèvre) oder „Ziegenedelpilzkäse“ führen zu dürfen, müssen die Käse ausschließlich aus Ziegenmilch hergestellt worden sein. Eine weitere Voraussetzung ist ein Anteil von 45 Gramm Fett in 100 Gramm Käsetrockenmasse. Die Bezeichnung „Halbziegenkäse“ (mi-Chèvres) ist dem Käse vorbehalten, der aus einer Mischung von Ziegen- und Kuhmilch hergestellt wird. Der Anteil von Ziegenmilch muss dabei mindestens 50 Prozent betragen. Auch hier ist ein Fettgehalt von mindestens 45 Prozent Fett in 100 Gramm Käsetrockenmasse vorgeschrieben. Fast die Hälfte der AOP-Käse kommt aus bäuerlichen Betrieben. Darin liegt ein entscheidender Vorteil der AOP, die neben der Qualitätsgarantie für den Verbraucher dem Käse-Hersteller ein angesehenes Markenzeichen an die Hand gibt und damit das Überleben der traditionellen, handwerklichen Käsereimethoden sichert.
Wichtig: der Ziegenkäse „Saint Maure de Touraine“ (AOP) darf nicht mit dem „Sainte Maure“ verwechselt werden. Dieser hat zwar exakt die gleiche Form, kommt aber aus einem nicht festgelegten Herkunftsgebiet und unterliegt damit nicht den AOP-Anforderungen. Das Gleiche gilt auch für den „Crottin de Chavignol“ (AOP) und den einfachen „Crottin“ sowie für den „Chabichou du Poitou“ (AOP) und den Käse „Chabi“.
Das AOP-Siegel auf der Rinde, der Verpackung oder dem Etikett garantiert dem Verbraucher einige Standards, die einer permanenten Kontrolle einer unabhängigen Kommission unterliegen. Die zur Käserei verwendete Milch darf nur aus einer geographisch festgelegten Region kommen, die Weiterverarbeitung und die Herstellung des Käses erfolgt ebenfalls in einem festgelegten, bestimmten Gebiet. Die Produktion und Reifung der Käse verlaufen nach vorgegebenen Bedingungen. Damit wird garantiert, dass die typischen Merkmale der Appellation, sowie eine erstklassige Qualität der Käse eingehalten werden.
So erklärt sich auch der Strohhalm, der in jedem „Saint-Maure de Touraine“ steckt. Aber nur in den echten AOP-Käsen. Ursprünglich diente der Strohhalm zur Stabilisierung des jungen Käses, denn die konische Form des „Saint-Maure de Touraine“ führte häufig zu einem Auseinanderbrechen der frischen Ziegenkäse. Heute ist der Strohhalm (paie naturel) auch ein Markenzeichen der Appellation d’Origine Protégée. Alle Halme sind markiert, der Name des Herstellers und das Produkt sind leserlich eingebrannt. Das Institut National Appellation d’Origine (INAO) – eine Abteilung des französischen Landwirtschaftsministeriums – überwacht mir Argusaugen die Verwendung der begehrten Strohhalme. Denn nur für die Ziegenkäse, in denen der Strohhalm steckt, ist die kontrollierte Qualität gewährleistet. Auch das hat in Frankreich Tradition. Schon die französischen Könige achteten sehr genau darauf, dass die Käse ihren ursprünglichen Charakter behielten und nicht als Fälschungen auf ihren ausgedehnten Tafeln landeten. Das war man natürlich auch den Produzenten schuldig, die für ihre Produkte den Zehnten abgeben mussten, meist in Form von Naturalien.
Foto: Pixabay
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