Es gibt Restaurants, die man als Feinschmecker unbedingt besucht haben sollte. Und wo man, wenn man sie einmal besucht hat, womöglich zum Stammgast wird. Zu diese illustren Adressen zählt die Auberge de l’Ill der elsässischen Gastronomenfamilie Haberlin in Illhaeusern, knapp zwanzig Kilometer westlich von Colmar. Ein Hort der Tradition und Qualität, der unerschütterlich den Stürmen der Zeit trotzt, die auch die Gestade der Gastronomie umbrausen. Allein das Ambiente ist eine Reise wert, die unvergleichlich-romantische Lage direkt am Ufer der Ill, die aus dem französischen Jura kommend Mülhausen, Colmar und Schlettstadt umfließt, um bei Straßburg in den Rhein zu münden.
Im idyllischen Garten der Auberge kann man bei schönen Sommertagen einen Aperitif genießen, bevor man sich in die Gasträume im Inneren des Hauses begibt, die eine moderne, zurückhaltende Eleganz ausstrahlen. Die Service-Equipe die beiden Oberkellner Laurent Schneider und Stéphane Laruelle ist in gedecktes Blau gewandet und versieht ihren Dienst mit jener unaufdringlicher Souveränität, wie sie sich nur in Häusern einstellt, die schon viele Große und Möchtegerngroße kommen und gehen sahen.
Das Anwesen der Auberge, zu dem auch das luxuriöse „Hotel Des Berges“ gehört, befindet sich seit 1882 in Familienbesitz, wurde zunächst unter dem Namen „L’Arbre vert“ („Grüner Baum“) als Café und Wirtshaus betrieben. Nach seiner Zerstörung beim Einmarsch der deutschen Wehrmacht ins Elsass im Jahre 1940 baute es die Familie Haeberlin wieder auf eröffnete es unter dem bis heute gültigen Namen L’Auberge de l’Ill neu.
Paul Haeberlin, eine Legende der französischen „Nouvelle cuisine“, erkochte 1952 den ersten Michelin-Stern, der zweite folgte 1957 und zehn Jahre später der dritte Stern. Damit spielte das Haus in der kulinarischen Weltliga und hat diesen Status bis heute nicht aufgegeben, auch wenn ihm 2019 der dritte Stern aberkannt wurde. Der spektakuläre Schritt war wohl nicht viel mehr als eine Marketingaktion des Guide Michelin, denn nichts macht größeren Wirbel, als wenn man einen Platzhirschen vom Sockel stößt. Ähnliches geschah Paul Bocuse und Georges Blanc, denen ebenfalls der höchste Rang aberkannt wurde.
Paul Haeberlin stab im Jahre 2008, doch schon 1976 hatte er seinem Sohn Marc in dritter Generation die Leitung der Küche übertragen. Viele Köche aus Deutschland und Österreich machten im Laufe ihres Berufslebens Station bei den Haeberlins. Der prominenteste unter ihnen war Eckart Witzigmann, der seinem einstigen Lehrherren Referenz erwies, indem er sein erstes eigenes Restaurant in München „Aubergine“ nannte, gewissermaßen eine ironische Verkleinerungsform der Auberge d’Ill. Auch er konnte sich zeitweise mit drei Michelinsternen schmücken.
Man tut gut daran, wenn man sich in der Auberge zunächst den Traditionsgerichten zuwendet, neudeutsch Signature dishes. Dazu gehören die allseits gerühmte Terrine de fois gras, eine Hommage an die von Tierschützern wütend bekämpfte Tradition der Gänsestopfleberherstellung im Elsass, oder ein Saumon soufflé „Auberge de l’Ill“, eine subtile Komposition aus hochwertigstem Lachsfleisch, überzogen mit einer Hechtfarce und gebettet auf eine Rieslingsauce, aromatisch und texturell kontrastiert mit einem Tomatenpüree und einem Blätterteigschiffchen.
Zu den Klassiker gehört auch die – Tierschützer bitte noch einmal weghören – Mousseline de grenouilles (Froschschenkelmousse), die gebackenen, ganzen Trüffel und die am Spieß gebratene Bresse-Poularde. Wer danach noch eine freie Stelle im Magen findet, sollte sich zum Dessert eine Pêche „Haeberlin“ gönnen, eine erfrischende Abwandlung des allseits bekannten Pfirsich Melba oder den am Tisch zubereiteten Crêpes flambées „Cherry Gaby“, gefüllt mit einer Vanillecreme und akkompagniert von marinierten Sauerkirschen. Ein Nachtisch „zum Reinsetzen“ und zugleich eine große, feurige Show, wie sie selten geworden ist.
Natürlich gehen die Haeberlins mit der Zeit, allerdings im eher sachten Tempo der Elsässer. Marc ist ein großer Freund der asiatischen Küche und bedient sich deren Aromen etwa im „Menu Haeberlin“ in intelligenter und niemals aufdringlicher Weise. Seit Kurzem bietet die Auberge auch kleinere Gerichte einer verfeinerten Bistroküche, die zu räsonablen Preisen, aber nur auf der Terrasse serviert werden. Ein vegetarisches Menü gibt es auch, wir haben es nicht probiert, aber dafür muss man eigentlich nicht in ein Luxusrestaurant gehen, vor allem dann, wenn man noch dazu Abstinenzler ist. Damit wären wir bei der Weinkarte angelangt, die keine Wünsche offen lässt. Von den oft vierstelligen Preisen hinter den berühmtesten Kreszenzen aus Bordeaux oder Burgund sollte man sich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Schließlich ist das Elsass selbst eine der berühmtesten französischen Weinregionen und die heimischen Flaschen, weiß wie rot, sind glücklicherweise dazu angetan, den Geldbeutel nicht übermäßig zu strapazieren. Vis-à-vis des Restaurants hat Marc Haeberlin jüngst das „Atelier Haeberlin“ eröffnet, eine Boutique, wo man allerlei gastronomische Andenken erstehen kann, darunter auch frische Backwaren
Foto: G. Etscheit

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