„Frau Antje bringt Käse aus Holland“ – so lautete Jahrzehnte lang der Slogan des Holländischen Molkereiverbandes, der die Kunstfigur in landesüblicher Tracht geschaffen hatte, um den Gouda noch bekannter zu machen. Die Musik zum Frau Antje-Jingle wurde von keinem Geringeren komponiert als Klaus Doldinger, der bekanntlich auch die „Tatort“-Erkennungsmelodie schuf. Frau Antje war so populär, dass sie sogar Gegenstand einer wissenschaftlichen Abhandlung wurde: „Frau Antje bringt Holland – Kulturwissenschaftliche Betrachtungen einer Werbefigur im Wandel“.
Heute wirkt Frau Antje ebenso antiquiert wie der „Persil“-Mann, „Ariel“-Klementine oder „Herr Kaiser“ von der Hamburg-Mannheimer. Holländische Käseproduzenten gehen längst andere Wege, um ihre Produkte unters Volk zu bringen. Wie die Molkerei Henri Willig, die ihre Produkte in eigenen Käse-Geschenkläden unter dem Label „Cheese and more“ vermarktet. Seit 2019 hat das Unternehmen neun Filialen in deutschen Großstädten eröffnet, darunter in Premiumlage am Münchner Marienplatz. Wobei man sich natürlich fragen muss, warum hier nicht Allgäuer oder Tiroler Bergkäse oder zumindest Schweizer Käse verkauft wird. Aber die Holländer als traditionsreiches Händlervolk sind wohl einfach verkaufstüchtiger.
Beim holländischen Gouda handelt es sich um einen in der Regel halbfesten, milden Schnittkäse mit cremiger Textur und einem typischen, leicht süßen Geschmack. Mit zunehmender Reife schmeckt ein Gouda immer würziger, kräftiger und salziger. Ein unter Umständen mehrere Jahre gereifter, „überjähriger“ Gouda ähnelt in der Textur einem Parmesan. Er wird nicht als Schnittkäse verkauft, sondern in Stücken als „Bröckelgouda“. Für Kenner ist dieser Gouda der beste. Er eignet sich hervorragend als pikanter Snack zu einem Glas Sherry oder Portwein.
Gouda kommt aus der Region um die gleichnamige Stadt in der Provinz Südholland, südlich von Amsterdam. In den Städten Stolwijk und Haastrecht wird er hier möglicherweise schon seit dem 12. Jahrhundert produziert und zählt damit zu den ältesten, noch existierenden Käsesorten überhaupt. In Gouda wurde er umgeschlagen, wofür die von Kanälen durchzogene Stadt ein Privileg besaß. Den traditionellen Käsemarkt gibt es noch heute und zwar vom 3. April bis 28. August jeden Donnerstagvormittag.
Ursprünglich wurde der Gouda in bäuerlichen Betrieben aus (unbehandelter) Rohmilch hergestellt, heute stammen nur noch wenige Prozent der Gesamtproduktion aus handwerklichen Betrieben und meist ist pasteurisierte Milch das Ausgangsprodukt. Wer Wert auf Qualität und Charakter legt, sollte unbedingt versuchen, beim Käsehändler oder im Urlaub vor Ort einen Bauern-Gouda zu ergattern, einen „Goudse boerenkas“. Echter holländischer Gouda ist als „Gouda Holland“ seit 2010 eine geschützte geografische Angabe.
Bei der Herstellung eines Goudas wird der Käsebruch mit warmem Wasser gewaschen. Diese Prozedur entzieht dem Teig einen Teil der Milchsäue und lässt ihn süßer schmecken. Viele Goudas werden orange gefärbt, in der Regel mit Annatto, den Samen des tropischen Annattostrauchs (Orleanstrauch), die viel Carotin enthalten. Die Rinde eines Goudas ist meist gewachst oder mit Kunststoff überzogen, um zu schnelles Austrocknen zu verhindern, und kann nicht mitgegessen werden. Nur wenige Goudas haben noch eine natürliche Rinde, die zumindest theoretisch essbar wäre.
Bei Marketing getriebenen Produzenten wie Henri Willig gibt es Goudas und nach der Gouda-Methode hergestellte Ziegenkäse in zahllosen Reifestufen und Geschmäckern – geräuchert, mit Kräutern, Gewürzen, Pestos oder Trüffel „verfeinert“ und Instagram tauglich gefärbt, sogar grün-weiß-rot in Gestalt der italienischen Flagge. „Der würzige provenzalische Geschmack passt perfekt zu sommerlichen Momenten und geselligen Abenden.“ Da ist den Werbeleute wohl etwas durcheinandergekommen.
Foto: Pixabay
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