Es ist vielleicht keine ideale Werbung für ein Kochbuch, wenn dessen Autor bekennt, nicht allzuviel von Kochbüchern zu halten. Kochbücher gibt es wie Sand am Strand, jedes Jahr werden einige Tausend von ihnen auf den Markt geworfen. Sie sind vor allem beliebte Geschenke, werden dankend entgegengenommen mit Bemerkungen wie „Oh, das sieht lecker aus!“ oder „Das müsste ich mal kochen!“ durchgeblättert und landen dann zusammen mit Dutzenden anderer im überquellenden Bücherschrank, um irgendwann im durchweichten Pappkarton mit „Zu verschenken“-Hinweis auf dem Bürgersteig zu enden.
Auch mein Bücherregal wird von einer ganze Batterie Kochbücher beschwert, was wörtlich zu verstehen ist, weil sich die Holzbretter schon gefährlich unter ihrem Gewicht zu biegen beginnen. Aber gut, ich bin ja so etwas wie ein kulinarischer Profi und brauche zumindest ein paar von ihnen als Nachschlagwerke. Etwa den Grand Larousse, eine kulinarische Enzyklopädie mit vielen Rezepten der französischen Küche, den legendären „Guide culinaire“ von Auguste Escoffier, Paul Bocuses Kochbibel „Die neue Küche“, den „Goldenen Plachuta“, in Standardwerk aus Österreich oder Alfons Schubecks „Meine bayerische Küche“.
Und dann natürlich mein Lieblingskochbuch „Alle meine Rezepte“ einer „verfeinerten bürgerlichen, mitteleuropäischen und mediterranen Küche“ von Wolfgang Siebeck, das einzige, aus dem ich regelmäßig koche oder konkrete Anregungen beziehe. Außerdem lese ich Siebecks immer unterhaltsamen und nie belehrenden Texte so gerne, dass das längst vergriffene Buch mit seinen ungeschönten Bildern schon auseinanderfällt und ich bald einen Buchbinder bemühen muss, um es restaurieren zu lassen.
Die meisten Neuerscheinungen auf dem Markt für Kochbücher folgen aktuellen Foodtrends und werden meist so schnell zu Altpapier, wie sie erschienen sind. Nicht zu vergessen die voluminösen Coffee Table Books in ausgeflippten Formaten, die nicht nur in keinen Bücherschrank passen, sondern einem das Nahkochen allein schon dadurch verleiden, dass einem die von Foodstylisten drappierten Fotos der präsentierten Gerichte signalisieren: Das schaffst Du nie!
Warum ich mich dann doch entschloss, selbst ein Kochbuch zu veröffentlichen und meinen Teil zum Bersten der Regale beizutragen, ist das, was ich als fortschreitenden Verfall der (deutschen) Esskultur wahrnehme. Sie manifestiert sich in einem drohenden Traditionsabbruch beim häuslichen Kochen und, im Bereich der Gastronomie, in der offenbar unaufhaltsamen Erosion der Mitte, dem Sterben „normaler“, „gut bürgerlicher Wirtshäuser, bei gleichzeitigem Anwachsen der Ränder – Fastfood auf der einen, international austauschbarer Kreativküche auf der anderen Seite. Und natürlich in einer Flut von Genussverboten und meist ungenießbaren „Ersatzprodukten“, sei es veganer Fleischersatz oder „Fleisch“ aus dem Labor. „Haltung“, was nichts anderes ist als Ideologie, ist der größte Feind echten Genießens, weil Genuss Freiheit bedeutet.
Hier gilt es dagegenzuhalten, wobei mein Ideal keineswegs darin besteht, nur noch altdeutsch-bürgerlich zu kochen, was immer das sein mag. Ich präferiere eine Küche, die auf Basis des Eigenen aus dem schöpft, was vor allem aus den beiden großen „Fressnationen“ Frankreich und Italien kommend unsere Esskultur seit jeher bereichert hat. Von euro-asiatischem Crossover, so interessant das im Einzelfall sein mag, halte ich wenig, weil die oft sehr starken Aromaten der fernöstlichen Kochkunst eigentlich nicht zur europäischen Küche passen. Wenn Asien, wenn Ethno, dann pur.
Ich halte es auch nicht für besonders empfehlenswert, in der häuslichen Einbauküche „Sternemenüs“ zelebrieren zu wollen, wie es einige Kochshows im Fernsehen nahelegen. Zu-Hause-Küche ist für mich, von Festtagen abgesehen, Alltagsküche, die Antwort auf die immer gleiche, peinigende Frage: „Was kochen wir morgen?“. Dass die Antwort darauf meist die Wiederholung des Immergleichen ist, eines Kanons von Gerichten, die in jedem Haushalt, wo noch gekocht wird, den Speiseplan bestimmt, halte ich nicht für verwerflich. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Trotzdem sollte man sich bisweilen dazu aufraffen, doch einmal etwas Neues auszuprobieren oder zumindest das Gewohnte ein wenig abzuwandeln.
In diesem Sinne: Viel Spaß beim Lesen und nachkochen!
Foto: Achgut Edition


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