Oh du geschundene Weißwurst, was tut man dir nicht alles an. Kulinarische Banausen essen sie nachmittags, obwohl eine echte Weißwurst das Zwölfläuten nicht gehört haben sollte. Andere zerlegen sie fein säuberlich mit Messer und Gabel. Manche tunken sie in scharfen Löwensenf, die schlimmsten Wurstverächter ersäufen sie gar in Tomatenketchup, obwohl sie nur süßen Senf verträgt. Einige braten sie vielleicht und servieren sie mit Pommes statt Brezel, trinken dazu Kaffee statt Weißbier. Selbst Hohn und Spott muss sie ertragen, das arme Würstchen. Kein geringerer als Wolfram Siebeck, der kulinarische Scharfrichter der Republik, nannte sie „Albinopimmel“, schmähte sie als „schrecklich unappetitlich in ihrer furchtbaren Haut“. Das hat sie nun wirklich nicht verdient, die Weißwurst, obwohl die prekäre Beschreibung ihres Äußeren nicht ganz an der Wahrheit vorbeigeht.
Zu den bezeugten Vorformen der Weißwurst, das sei noch angemerkt, gehört die aus feinstem Kalbfleisch hergestellte „Boudin blanc“. Der Leibkoch des Marschalls Louis-Nicolas Davout, Hamburgischer Gouverneur, und wegen seines strengen Regimentes „Robespierre von Hamburg“ genannt, soll sie laut Wikipedia während der französischen Besetzung der Hansestadt hohen Gästen zum zweiten Frühstück vorgesetzt haben. Gut möglich, dass diese Luxuswurst, die auch Kaviar enthalten haben soll, in einer abgespeckten, kleinbürgerlichen Variante den Weg in das mit dem napoleonischen Frankreich eng verbundene Bayern fand.
Eine „Original Münchner Weißwurst“ besteht nach Angaben des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) aus mindestens 51 Prozent Kalbfleisch, Schweinespeck, gegartem Kalbskopffleisch, Schweineschwarten, gestoßenem Eis, Kochsalz, frischer Petersilie und allerlei Gewürzen, darunter auch Zitrone. Auch dem Wasser, in dem man sie bei 75 Grad gart, fügen Kenner zwei, drei Scheiben Zitrone hinzu. Die Wurst soll nicht platzen und ist unbedingt heiß zu genießen. Deshalb wird sie von Einheimischen gerne „gezuzelt“, also sozusagen aus ihrer schützenden Haut herausgesaugt, was Nicht-Münchnern unappetitlich erscheinen mag.
Als Beilagen sind eine bayerische Bretze (hochdeutsch: Brezel) und süßer bayerischer Senf sowie ein (Weiß-) Bier obligatorisch. In der Regel konsumiert man ein Paar, weil Weißwürste recht gehaltvoll sind. Der als Urmünchner geltende Kabarettist und Weißwurst-Fan Gerhard Polt begründete jüngst seine Weigerung, mehr als zwei Weißwürste zu verzehren, mit den Worten: „Weil bei da drittn miassat i schbeim“ (hochdeutsch: „Weil ich mich bei der Dritten übergeben müsste.“).
Hier nun die Ergebnisse unseres Tests. Wir verkosteten nur haltbare Ware in Dosen oder einer Plastikverpackung:
EDEKA Weißwürste
Dass der woke EDEKA Konzern Weißwürste und keine Buntwürste in seinem Sortiment führt, hat uns doch ein wenig erstaunt. Noch dazu, weil einige Angebote in weiß-blauer Verpackung daherkommen. Da läuft im Konzern in Sachen politisch korrekter Lebensmittel wohl etwas schief, blau soll doch keine gute Wahl sein. Stimmt zumindest im Fall der von uns getesteten Weißwürste aus dem Hause Zimmermann, laut Verpackung hergestellt in Bayern mit Fleisch aus Deutschland. Keine Zierde für die verbliebenen bayerischen Metzger, die EDEKA-Wurst schmeckt einfach nur wässrig warm, wenig aromatisch, und der relativ geschmacklose Teig ist weich wie aufgewärmter Brei. Aber jede Medaille hat zwei Seiten, hier die positive: wir wurden beim Einkauf nicht nach unserer politischen Gesinnung gefragt und mussten an der Kasse nicht auf die Demokratie schwören.
Zimmermann, „Münchner Weißwürste“, 5 x 60 Gramm, 2,79 Euro bei EDEKA
Note 5
Tagwerk Weißwurst von VollCorner, München
Die Zutatenliste auf den zwei eingeschweißten Weißwürsten der Bio-Verbraucher- und Erzeugergenossenschaft Tagwerk aus dem Raum östlich von München, erstanden in einem Münchner Biosupermarkt, ist makellos. Nur „natürliche“ Zutaten, nix künstliches: 62 Prozent Schweine-, elf Prozent Kalbfleisch, Trinkwasser, Frischzwiebeln, Zitrone, Speisesalz, Gewürze, Rohrohrzucker, Schweinedarm… Doch leider schmeckt man von alledem nichts und die Konsistenz ist nicht locker, sondern gummiartig. Alles andere als ein naturreiner Genuss. Merke: Bio muss nicht besser, kann oft sogar schlechter sein als all die bösen, bösen „konventionellen“ Produkte.
Tagwerk Bio-Weißwürste, 2 Stück, 170 Gramm, 4,30 Euro
Note 4
Käfer Münchner Weißwurst
Mit 4,99 Euro für vier Münchner Weißwürste, „kesselfrisch“, erscheint der Preis, den der Münchner Delikatessenhändler Käfer zur Oktoberfestzeit in einer seiner Markthallen verlangt, durchaus moderat. Leider spiegelt sich das auch in der Qualität. Zunächst einmal sind die Käfer-Weißwürste nicht weiß, sondern unappetitlich rötlich. Die Brätmasse ist schon fast zu mürbe und lässt sich nur schwer vom Naturdarm ablösen. Wenn man diese Wurst nach allen Regel der Kunst zuzelt, isst man unweigerlich die Pelle mit. Im Abgang macht sich ein schwer zu identifizierender, etwas artifizieller Ton bemerkbar. Kein Ruhmesblatt für das Münchner Renommierunternehmen.
Käfer Münchner Weißwurst, kesselfrisch, vier Stück, 250 Gramm, 4,99 Euro
Note 4
Aldi „Münchner Weißwurst“
Der gute alte ALDI. Auch in Sachen Spitzenqualität immer vorne mit dabei. Glauben viele Verbraucher. Getestet haben wir „Münchner Weißwurst“ aus bayrischem Schweinefleisch, mit frischer Petersilie verfeinert. Da spielt die niedrigste Nährwertqualität E im Nutri-Score keine Rolle, einfach ignorieren. Die Bissfestigkeit der Wurst war völlig okay, geschmacklich ebenfalls im wurstigen Geschmacksrahmen, tatsächlich mit einem Hauch von frischer Petersilie unterlegt. Akzeptables Mittelmaß. Für alle, die an die Bio-Qualität der Konzerne glauben, gibt es auch eine Variante, die laut Konzern auf höchste Bio-Standards setzt, schonende Verarbeitung aus ursprünglichen (!) Zutaten verspricht, und die Artenvielfalt fördern soll. Mit Nährwertqualität D im Nutri-Score! Geschmacklich muss man fest an die Bio-Weißwurst glauben, die man sonst nur an ihrer weichen Konsistenz erkennen würde. Schmeckt eigentlich nach nix, aber das nachhaltig.
Bayerische Münchner Weißwurst, 300 Gramm, zirka 2,99 Euro
Note 3-4
„Nur Nur Natur Bio-Münchner Weißwurst“, 250 Gramm, zirka 2,99 Euro
Note 5
Wilhelm Brandenburg „Münchner Weißwurst“ bei REWE
Die Supermarktkette REWE hat gleich mehrere Weißwürste im Sortiment, darunter eine schöne Dose, gefüllt mit 4 Münchner Weißwürsten des ehemals Königlich-Bayerischen Hoflieferanten Zimmermann für rund 5,30 Euro. Ob der unglückliche König Ludwig davon wusste, und Qualität und Preis der Weißwürste in einem Zusammenhang mit seinem Freitod stehen, bleibt Spekulation. Deswegen haben wir uns entschieden, lieber die Weißwürste von Wilhelm Brandenburg zu probieren, der den gutgläubigen Kunden gerne als Qualität-Metzger verkauft wird, die Ware aber von den Fleischwerken Zimmermann hergestellt wird. Vom Hocker gerissen haben uns die Würste nicht, aber sie enthalten immerhin 20 Prozent Kalbfleisch. Die Bisskonsistenz ist ein wenig zu weich, der Geschmack ist dagegen kompakt fleischig, unterlegt mit einer feinen Würze. Gutes Mittelmaß.
Wilhelm Brandenburg, „Münchner Weißwurst“, 300 Gramm, 4,29 Euro
Note 3
Dallmayr Münchner Weißwurst
Dallmayr gilt als das Münchner Delikatessenhaus am Platz. Dank enormem Bekanntheitsgrad durch die Kaffeewerbung („Prodomo“) wird das Stammhaus in der Dienerstraße von Touristen geradezu gestürmt. In der Wiesnzeit sind Münchner Weißwürste ein beliebtes Mitbringsel für die Lieben daheim, natürlich attraktiv verpackt in einer weißblauen Rautendose. Die Zutatenliste weist 72 Prozent Schweine- und Kalbfleisch auf, außerdem Natriumlactat und Diphosphate, gerne verwendet, um mehr Wasser in der Brätmasse binden zu können. Spricht eher für mindere Qualität, doch der Geruch des unter dem illustren Namen Dallmayr vermarkteten Produktes ist frisch und nicht aufdringlich, der Teig locker, würzig und nicht zu salzig. Insgesamt erstaunlich rund im Geschmack. Das liegt doch nicht etwa an dem ebenfalls enthaltenen Geschmacksverstärker Mononatriumglutamat? Sei es drum, viel besser schmecken auch frische Weißwürste nicht. Und wer liest schon Zutatenlisten.
Dallmayr, Münchner Weißwürste, Dose mit vier Stück, 250 Gramm, 9,80 Euro
Note 2
Kraus, Münchner Weißwürste
Die Würste der niederbayerischen Fleisch-, Wurst- und Konservenfabrik Kraus aus Neustadt an der Donau werden in dem Laden von Wurstwaren Clasen im Neuen Münchner Rathaus, und unter anderem auch übers Internet verkauft. Die Zutatenliste gleicht aufs i-Tüpfelchen der von Dallmayr, was den Verdacht nahelegt, dass bei Dallmayr Kraus drin ist. Die frappierende Ähnlichkeit (einschließlich des Abtropfgewichtes) bestätigt sich bei der Geruchs- und Geschmacksprobe. Der Verkaufspreis liegt 40 Cent unter dem von Dallmayr. Im Internet werden 5,59 Euro verlangt – so werden ahnungslose Touris abgezockt.
Kraus, vier Stück Münchner Weißwürste, 250 Gramm, 9,40 Euro
Note siehe Dallmayr
Foto: Pixabay
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